Wenn Flakons
Geschichten erzählen

Fashion and Beauty

Zur Reise durch die Duftgeschichte lädt zurzeit eine Ausstellung in den Palazzo Mocenigo nach Venedig ein. Die bedeutende Sammlung Storp präsentiert dort Flakon-Raritäten der vergangenen 6000 Jahre – ein einzigartiges Faszinosum, das uns an Orte der Vergangenheit führt, zu denen dereinst nur ein äußerst elitärer Kreis Zugang hatte. Maison Ë hat sich durch die Geschichte des Parfums geschnuppert und mit Marco Vidal, CEO von The Merchant of Venice, gesprochen.

(Parfum) Wäre diese Ausstellung ein Plakat für einen Hollywood-Blockbuster, würden Duftfans wie Insider:innen der Kulturszene wohl folgendes texten:

Weltpremiere in Venedig! Reise durch die Geschichte der Parfums.


Starring:
Flakons der Sammlung Storp – 6000 Jahre Duftgeschichte.

Regie:
Marco Vidal, The Merchant of Venice

Original-Location und Requisite:
Palazzo Mocenigo, seit 2013 das erste Parfummuseum Italiens mit dem Centro Studi di Storia del Tessuto, del Costume e del Profumo.

Drehbuch:
Chiara Squarcina, wissenschaftliche Direktorin der Fondazione Musei Civici di Venezia, Barbara Maria Savy, Professorin für Kunstgeschichte, und Massimo Vidale, Professor für Archäologie, beide Università degli Studi di Padova.

Producer
: Marco Vidal, Mavive SpA, Ferdinand Storp, Collector & Owner der Sammlung Storp, Biagio Costantini, CEO von Zignago Vetro, und Maurizio Volpi, Präsident Fragrance & Beauty, Givaudan.

Allein schon das Feuerwerk an interdisziplinär zusammengesetzter Prominenz aus Industrie (Duft, Glas, Aromen & Riechstoffe) sowie universitärer und museumswissenschaftlicher Gelehrsamkeit sind Garant für das Gelingen dieses außergewöhnlichen Ausstellungsprojekts.

Und die eigentlichen Stars? Nun, jedes der über 500 Exponate für sich ist oscarwürdig, ein Kleinod neben dem anderen auf meterlangen, von schweren dunkelroten Stoffbahnen bedeckten Tischen unter Glasglocken im historischen Ambiente des Palasts präsentiert. Deren Botschaft lautet unisono: Ein Duft mag sich verflüchtigen, doch sein Flakon bewahrt dessen Erinnerung für die Ewigkeit. Mehr noch, dieser vermag uns an Orte in der Vergangenheit zu führen, zu denen dereinst nur ein äußerst elitärer Kreis Zugang hatte – wir betreten also gleichsam die privatesten Räumlichkeiten der führenden Persönlichkeiten ihrer jeweiligen Epoche.

Von den Tempeln und Palästen diverser Göttinnen und Götter dieser Welt einmal abgesehen handelte es sich um Pharaonen, Königinnen, die internationale Aristokratie und natürlich generell die Money Nobility. Denn bevor im 19. Jahrhundert durch den wissenschaftlichen Fortschritt die Duftherstellung dank der Erfindung synthetischer Moleküle revolutioniert wurde, war olfaktorisches Glück alles andere als preiswert und sicher nicht für die Allgemeinheit bestimmt. Weihrauch, Moschus, Zibet, Ambre Gris oder Oud wurden in Gold und Juwelen aufgewogen. Wie genau? Nur ein Beispiel: Der französische König François Ier (1515–1547) hatte ein überaus vitales Interesse an Diamanten. In La Serenissima war man sich dessen bewusst und schenkte ihm einen Ring mit dem begehrtesten der Edelsteine. Le Roi-Chevalier ließ das Schmuckstück gegen Moschus eintauschen und erhielt im Gegenzug lediglich ein paar Gramm jener Rarität, die der Legende nach ein gewisser Marco Polo im 13. Jahrhundert von seinen Reisen nach Venedig importiert hatte.

„Es ist faszinierend zu sehen, wie Glas – seit jeher ein exzellentes Material, um Duft zu aufzubewahren – von seinen antiken Ursprüngen bis heute von Innovationskraft und Schönheit erzählt.“

Preziosen zum Riechen

Womit wir in den Palazzo Mocenigo und die wunderschöne Flakon-Ausstellung zurückgekehrt wären. Lange, bevor das französische Grasse – und damit Paris – zum Zentrum des Dufts wurde, war Venedig der Nabel der Parfumwelt. Der Handel und dessen Routen, die Mude, brachten die kostbarsten Güter in die Metropole des Heiligen Markus. La Serenissima beherbergte lange die meisten noblen Parfum-Manufakturen und auf Murano die besten Glasbläser für kunstvolle Flakons.

Eine Sammlung von Kostbarkeiten, die vom höchsten, dem ephemeren Luxus erzählen, wie jene 1911 begründete der Familie Storp ist übrigens eine Rarität für sich. Vergegenständlichte Historie, in Keramik, Glas, Porzellan, mit sakralem wie profanem Kontext. Biagio Costantini, CEO des Glas-Produzenten Zignago Vetro und Co-Produzent der Ausstellung, erklärt: „Es ist faszinierend zu sehen, wie Glas – seit jeher ein exzellentes Material, um Duft zu aufzubewahren – von seinen antiken Ursprüngen bis heute von Innovationskraft und Schönheit erzählt.“

Noch ist Zeit, zuzuhören. Und sich durch die Centennien zu schnuppern. Denn Givaudan, Global Leader der Aromen- und Riechstoffindustrie, lädt ein, sich live – in chronologischer Reihenfolge – auf den „Viaggo nella storia del Profumo“ zu begeben. Maîtres Parfumeurs von Givaudan haben für die Schau im Palazzo Mocenigo historische Original-Rezepte zahlreicher Düfte nachkomponiert. Es wird Ihnen nicht möglich sein, bis zum 30. November dieses Jahres nach Venedig zu reisen? Nun, es wird gemunkelt, die in vielfacher Hinsicht so bedeutsame Ausstellung könnte sich zukünftig auf Reisen begeben …

Marco Vidal, CEO von The Merchant of Venice

Maison Ë im exklusiven Gespräch mit Marco Vidal, CEO des Dufthauses, „The Merchant of Venice“ & CEO von Mavive SpA, Venedig.

Maison Ë Das Museum im Palazzo Mocenigo, Forschungszentrum für Stoff-, Kostüm- und Parfum-Geschichte, zeigt bis 30. November dieses Jahres die wunderbare Ausstellung „Viaggio nella storia del Profumo. Collezione Storp“. Was hat Sie dazu motiviert, dieses immersive Projekt zu initiieren? Es gilt in dieser Form als echtes Novum …

Marco Vidal Um das kulturelle Konzept des Parfum-Museums im Palazzo Mocenigo fortzusetzen, das wir gemeinsam mit der Fondazione Musei Civici di Venezia 2013 begonnen haben, präsentiert diese Ausstellung als die erste überhaupt mehr als 6.000 Jahre Dufthistorie. Wir zeigen die wunderbare Sammlung Storp, die über 3.000 exzeptionelle Parfumflakons umfasst – ein lebendiges und unmittelbar erlebbares Vermächtnis, das dokumentiert, wie Parfum die Geschichte von Männern wie Frauen schon immer begleitet hat.

M.Ë Würden Sie uns bitte mehr über den wissenschaftlichen Background und die kreativen Prozesse hinter dieser Ausstellung berichten? Es sind bedeutende italienische Kultur-Institutionen an Bord, zudem unter anderem der weltweit führende Aromen- und Riechstoff-Produzent Givaudan. Wie kam es zu dieser interdisziplinären Kooperation?

M.V. Mein Unternehmen, Mavive, hat in Kooperation mit Zignago Vetro, einem Innovator der Glasindustrie unter anderem im Kosmetik- und Duft-Sektor, die Ausstellung produziert. Givaudan hat uns dabei unterstützt, alte Parfum-Rezepturen passend zur chronologischen Reihenfolge der Exponate zu neuem olfaktorischem Leben zu erwecken. Zudem haben uns Professoren und Professorinnen der Universität Padua wissenschaftlich unterstützt: Sie studierten die Objekte der Sammlung Storp, beschrieben diese und haben deren kulturhistorischen Kontext für den Ausstellungskatalog erarbeitet.

M.Ë Sie haben das Dufthaus „The Merchant of Venice“ gegründet und architektonische Denkmäler wie die Farmacia an der Piazza Fantin aus dem 16. Jahrhundert gerettet, indem Sie diese in enger Kooperation mit dem Denkmalamt zum Flagship-Store Ihrer Haute-Parfumerie-Brand machten. Dank Ihnen gibt es noch heute die legendäre Libreria Studium, behutsam restauriert und mit einem Parfum-Labor für Olfaktorik-Fans kombiniert. Warum bedeutet Ihnen Kultur so viel?

M.V. Weil Kultur ein Business-Projekt um Glaubwürdigkeit und Tiefe bereichert. Obgleich dies eine komplexe und herausfordernde Reise involviert, wird Kultur für eine Parfum-Marke so zum USP. The Merchant of Venice wird als kulturelle Luxusmarke verstanden, und wir sind sehr stolz auf diese differenzierende Auszeichnung. Diese Anerkennung erlaubt es uns, in einer hoch kompetitiven Industrie hervorzustechen.

M.Ë Warum ist La Serenissima für Sie von so eminenter Bedeutung? Was verbindet Sie mit der Lagunenstadt?

M.V. Venedig ist in der ganzen Welt sowohl als Stadt wie auch als Umfeld einzigartig. Ich bin hier geboren und in einer hier zutiefst verwurzelten Familie aufgewachsen, die allerdings für internationale Verbindungen stets offen ist. Venedig ist ein Teil von mir, eine große Quelle stilistischer und olfaktorischer Inspiration für meine Projekte. Und mein persönliches Commitment besteht darin, die gravierenden Probleme, die das Leben in Venedig in seiner Existenz gefährden, wie Bevölkerungsschwund und Overtourism, anzugehen. Mit meinem Unternehmen kämpfe ich dafür, den Namen Venedigs hochzuhalten – mit Stolz.

Text
Eva Syndram
Fotografie
Andrea Morucchio

(Alle anzeigen)
Meine Liste
Read (0)
Watch (0)
Listen (0)
Keine Stories