Alles wird
Oud
Was früher in schweren Schwaden den Raum erfüllte, zeigt sich nun als feiner, flüchtiger Schleier, ohne seine Tiefe zu verlieren. Große Dufthäuser und Nischenmarken entdecken Oud neu – und damit auch die erstaunliche Wandlungsfähigkeit eines Klassikers.
(Duft) Es gibt Düfte, die wie Legenden wirken: geheimnisvoll, von Mythen umwoben und mit einer Aura, die sofort Erinnerungen weckt. Oud gehört dazu. Kaum ein Rohstoff der Parfümerie ist so tief in Geschichte und Ritual verankert, so unmittelbar mit Sinnlichkeit verbunden und zugleich so stark mit Klischees belastet. Schwer, orientalisch, rauchig. Mehr als nur ein Duft. Früher stand es für Opulenz, Macht und Spiritualität. Es war der Duft der Könige, ein Zeichen von Reichtum und Verehrung, so kostbar wie Gold. Sofort erkennbar.
Heute erlebt Oud eine Renaissance. Seine jahrhundertealte Intensität wird neu interpretiert. Diese vielzähligen neuen Kompositionen zeigen, wie sich Opulenz auch dezenter übersetzen lässt – leichter, frischer, moderner und näher am westlichen Stil. Das Harz des Adlerholzbaums, das erst durch eine seltene Infektion seine dunkle, balsamische Note entfaltet, hat nicht nur seinen Mythos, sondern auch seine Schwere abgelegt, ohne dabei an Tiefe zu verlieren.
Es bleibt das Herz aus Harz und Holz. Oud, einst Räume füllend, umgeben von Gebeten und Geschichten, erscheint heute so subtil wie ein goldener Schatten. Es hat die Reise vom Ritual zum Alltag vollzogen, von der Andacht zur Intimität.
Und so steht das neue Oud für etwas zutiefst Gegenwärtiges: die Fähigkeit, Geschichte zu bewahren und dennoch leicht zu werden. Ein Duft, der sich erinnert – und weitergeht.
Rule of 72 von 27 87 verwandelt die dunkle Gravitas von Oud in eine lebendige Frische: transparente Hölzer, getragen von Bergamotte und Pfeffer – weit entfernt vom früheren, von Weihrauch getränkten Nebel.
Das ikonische B683 von Marc-Antoine Barrois bewahrt seine Intensität und definiert vielleicht die Essenz der neuen Oud-Generation: klassisch in seiner Tiefe, aber mit einem modernen Atem. Leder, Patchouli und Oud verschmelzen zu einer kühlen Eleganz – wie der Duft eines maßgeschneiderten Anzugs in der Nacht.
Au Pied du Rosier von Marie Jeanne nähert sich Oud über florale Noten. Rose trifft auf einen Hauch von Holz – ein Dialog zwischen Zartheit und Tiefe. Oud in seiner sanftesten Form: kaum wahrnehmbar und dennoch unverkennbar.