Frauen, die die türkische
Mode prägen
Zwischen osmanischen Stadthäusern und modernen Ateliers entfaltet sich in Istanbul eine neue Welt der Mode, die international Anerkennung findet. Designerinnen wie die Schwestern Başak und Defne Kocabıyıkoğlu mit ihrem Label Nackiyé oder
Hatice Gökçe übersetzen kulturelles Erbe, handwerkliche Raffinesse und zeitlose Eleganz in Mode, die den Geist der Stadt verkörpert.
(Maison Ë Besuch) Es ist schwer vorstellbar, dass die Akaretler-Reihenhäuser, die in den 1870er-Jahren für das Personal des nahe gelegenen Dolmabahçe-Palastes gebaut wurden, einst vernachlässigt wurden. Seit ihrer Restaurierung in den 2000er-Jahren haben sich in den geräumigen Stadthäusern Kunstgalerien, Modeboutiquen, Designläden und Ateliers angesiedelt, die sich so natürlich einfügen, als hätten sie schon immer dazugehört. Es ist ein weiteres Zusammentreffen von Geschichte und Moderne in einer Stadt, die so mühelos Gegensätze miteinander verbindet.
Dazu gehört auch der Ausstellungsraum von Nackiyé, der von dem international anerkannten Istanbuler Designstudio Autoban entworfen wurde. Die makellos weißen und minimalistischen Räume werden durch einzelne, in tiefem Azurblau und Pastellrosa gestrichene Wände oder durch mit Markenkeramik geschmückte Torbögen akzentuiert, die alle in einen ruhigen Garten führen. Auf den Bügeln hängt die neueste Kollektion der Marke, die „individuell entworfene, handwerkliche Kleidung“ anbietet.
Nackiyé wurde 2018 von den Schwestern Başak und Defne Kocabıyıkoğlu gegründet und ist nach ihrer Urgroßmutter benannt, deren Großmutter die erste Frau im Osmanischen Reich war, die den Sema aufführte, den spirituellen Tanz der wirbelnden Derwische des Mevlevi-Sufi-Ordens. Inspiriert von den Frauen ihrer Abstammung und ihrem reichen Erbe begannen die Kocabıyıkoğlu-Schwestern mit dem Entwerfen von Kleidungsstücken, welche die fließenden kulturellen Gegebenheiten sowohl in ihrem eigenen Leben als auch in jenem Istanbuls widerspiegeln. Zu den charakteristischen, aus hochwertigen Stoffen und mit Handwerkskunst gefertigten Stücken gehören fließende Kaftan-Kleider in leuchtenden Blumentönen oder ein nach Maß gefertigter Mantel mit Pariser Flair.
Auf der anderen Seite des Bosporus, im Bohème-Viertel Moda, ist die Boutique der Designerin Hatice Gökçe durch die Metallskulptur einer Krähe gekennzeichnet, die geduldig den Eingang bewacht. Gökçe ist eine bahnbrechende Designerin, die für ihre innovative Herangehensweise an Herrenmode bekannt ist und mit Materialien und Formen experimentiert.
„Als weibliche Designerin in der Türkei sieht man sich sowohl mit ganz eigenen Herausforderungen als auch mit einzigartigen Vorteilen konfrontiert“, sagt Gökçe. „Die Modeindustrie ist, wie viele andere Bereiche, historisch gesehen von einer männlichen Perspektive geprägt – vor allem im Bereich der Herrenmode, auf die ich mich konzentriere. Um in diesem Bereich Fortschritte zu erzielen, braucht man Durchhaltevermögen und eine klare Vision. Andererseits kann ich als Frau Männlichkeit durch eine andere Brille interpretieren – intuitiver, hinterfragender und manchmal auch einfühlsamer.“
Hatice Gökçe, eine wegweisende Designerin, experimentiert spielerisch mit Materialien und Formen in der Herrenmode.
„Als weibliche Designerin in der Türkei sieht
man sich sowohl mit ganz eigenen Herausforderungen
als auch mit einzigartigen Vorteilen konfrontiert.“
Hatice Gökçe