Maison Ë im Gespräch
mit Dimorestudio

Art and Design

Das Mailänder Designduo Dimorestudio steht für eine zeitlose Ästhetik zwischen Geschichte und Gegenwart. Mit Projekten für Marken wie Fendi, Aesop oder den Orient Express hat sich das Studio international einen Namen gemacht. Im exklusiven Interview spricht Mitbegründer Britt Moran über die Ursprünge des Studios, die kreative Zusammenarbeit mit seinem Partner Emiliano Salci und ihr jüngstes Projekt im modernistischen Baujuwel Latitude 43 in Saint-Tropez.

Emiliano Salci und Britt Moran, das visionäre Duo hinter Dimorestudio.

Maison Ë Lassen Sie uns am Anfang beginnen. Wie haben Sie und Emiliano sich kennengelernt, und wie kam es dazu, dass Sie gemeinsam Dimorestudio gegründet haben?

Britt Moran Emiliano und ich haben uns um das Jahr 2000 durch gemeinsame Freunde kennengelernt. Wir hatten so viele gleiche Interessen uns spürten sofort eine echte Synergie, ein gegenseitiges Verständnis für bestimmte Dinge. Das ist auch heute noch so. Ich glaube nicht, dass es jemals geplant war, dass sich Dimore zu dem entwickeln würde, was es heute ist. Es hat sich alles sehr organisch entwickelt.

M.Ë Mit welcher Art von Projekten habt ihr angefangen? Und gab es ein Projekt, das euch als Studio wirklich in die Position katapultiert hat, in der ihr jetzt seid?

B.M. Anfangs, Mitte der 2000er-Jahre, haben wir mit Schaufensterdekorationen für verschiedene Unternehmen begonnen. Dieser Bereich hat sich sehr schnell weiterentwickelt, vor allem, als wir begannen, während der Design Week hier in Mailand aktiv zu werden. Wir haben damit angefangen, experimentellere Installationen und Ausstellungen zu machen, die von vielen Leuten besucht wurden. Das ist inzwischen so weit gediehen, dass es eine Menge Erwartungen an das gibt, was wir zur Design Week präsentieren.

Dann – wenn wir über ein konkretes Projekt sprechen wollen – hatten wir großes Glück, dass wir am Grand Hotel mitarbeiten durften. Es ist das traditionsreichste Hotel hier in Mailand und war einst das Haus, in dem Giuseppe Verdi viele seiner Opern schrieb und auch den letzten Abschnitt seines Leben verbrachte. Dieses Projekt hat uns wirklich geholfen, in einem historischen Kontext zu arbeiten, den wir auf eine zeitgemäße Weise neu interpretieren konnten.

Wir hatten auch eine wirklich fantastische Zusammenarbeit mit Thierry Costes und der Familie Costes in Paris. Es handelte sich um ein Restaurant direkt an der Champs-Élysées, und es war fantastisch, mit ihm zusammenzuarbeiten, allein schon wegen des Wissens, das wir von ihm lernen konnten. Das sind wahrscheinlich die beiden wichtigsten Projekte aus unserer Anfangszeit, die unseren Namen wirklich bekannt gemacht haben.

M.Ë Sie haben erwähnt, dass Sie und Emiliano sofort gemerkt haben, dass Sie gemeinsame Interessen und Werte haben. Können Sie mir die Gestaltungsprinzipien erläutern, die Ihrer Meinung nach Ihrer Arbeit zugrunde liegen? Was ist das Herzstück der Designphilosophie von Dimore?

B.M. Wir versuchen wirklich, die Designästhetik historischer Stücke hervorzuheben, insbesondere italienisches und französisches Design aus den 1930er- bis 1970er-Jahren, allerdings in einer zeitgemäßen Neuinterpretation. Das war schon immer unser Ansatz, und das unterscheidet uns von anderen, und das ist auch was die Leute von uns erwarten. Ich denke, wir haben eine Ästhetik geschaffen, die es vorher nicht gab, oder vielleicht eine vergangene Ästhetik im Bereich Interior Design neu gedacht und ins Heute übersetzt.

Außerdem geht es bei uns sehr stark um das Schaffen von Atmosphäre. Das unterscheidet uns wahrscheinlich von anderen Design Studios. Es geht nicht nur darum, Stoffe und Farben aufeinander abzustimmen. Es vielmehr darum eine Geschichte zu erzählen, den roten Faden sichtbar zu machen, dem wir bei der Gestaltung von Räumen folgen.

M.Ë Im Laufe der Jahre hat Dimore viele neue Facetten entwickelt – neben dem Studio gibt es auch eine Design-Galerie, eine Möbelmarke und eine Reihe verschiedener Kooperationen. Können Sie uns erklären, wie Sie und Emiliano Ihre Zeit auf all diese verschiedenen Bereiche aufteilen?

B.M. In der Zeit vor und während der Design Week widmen wir uns ganz der Möbelproduktion. In den Monaten davor arbeiten wir an neuen Kollektionen und aktualisieren die alten. Wir haben natürlich Leute, die uns beim Verkauf der Produkte und beim Vertrieb unterstützen, aber wir sind sehr stark involviert – man muss ständig daran arbeiten, die Energie für Kommunikation und Marketing aufrecht zu erhalten. Abgesehen davon versuchen wir, unsere Zeit möglichst gleichmäßig auf alle Bereiche zu verteilen – sonst leidet einer davon unweigerlich.

M.Ë Lassen Sie uns nun das Projekt Latitude 43 näher betrachten, das Gebäude in Saint-Tropez, für das Sie zwei Apartments gestaltet haben. Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch, denn sie sind wirklich wunderschön geworden. Wie kam es zu dem Projekt?

B.M. Wir wurden vom Kunden kontaktiert. Er besuchte uns im Studio, wir unterhielten uns, haben die Räumlichkeiten besichtigt, und anschließend trafen wir uns mit der ganzen Familie und noch ein ausführlicheres Gespräch zu führen. Die Idee war es, ein Feriendomizil für sie zu schaffen, das war unser Auftrag.

Einblicke in das Dimore-Apartment im Latitude 43 in Saint-Tropez.

M.Ë Was war Ihr erster Eindruck von dem Standort, als Sie ihn zum ersten Mal sahen?

B.M. Der Ort ist fantastisch. Das Gebäude selbst – die Architektur – ist wirklich sehr schön. Es ist ein großartiges Beispiel für Bauhaus-Architektur. Außerdem liegt es etwas außerhalb des Zentrums von Saint-Tropez und ist von einem wunderschönen Garten umgeben. Was das Gebäude zusätzlich besonders macht, sind die wunderschönen Fenster und die Aussicht ist ohnehin unglaublich. Wir wussten also sofort, dass wir mit der Substanz des Gebäudes spielen wollten.

M.Ë Inwiefern haben sie die Gestaltung der Räume auf die Lage des Gebäudes und die Aussicht ausgerichtet?

B.M. Der Eingangsbereich hat einen sehr langgezogenen Korridor mit einer langen Reihe von Fenstern. Dann gibt auch diese wunderschöne Fensterfront mit Blick auf das Meer, mit sehr niedrigen Fenstern, sodass ich glaube, dass der Architekt dieses Gebäudes daran gedacht hat, dass man in bestimmten Bereichen sitzen würde, um die Aussicht zu genießen. Wir haben alle vorhandenen Elemente genutzt, um mit der Innenarchitektur zu spielen. Dort, wo die Fenster niedrig platziert sind, haben wir etwa einen Schreibtisch oder eine bestimmte Sitzgelegenheit vorgesehen.

M. Ë Der historische Charakter von Latitude 43 bot Ihnen und dem Team natürlich viele kreative Möglichkeiten, aber brachte er auch gewisse Herausforderungen mit sich?

B. M. Ja, der Raum selbst stellte uns durchaus vor Herausforderungen, weil die Architektur sehr klar definiert war. Es gab bestimmte Bereiche, in denen wir nicht viel verändern konnten, weder in der Raumaufteilung noch in der Nutzung. Dazu kommt die Größe der Familie, die es gar nicht so leicht machte für alle genügend Raum zu schaffen. Man musste den Raum sehr gezielt aufteilen und dem Kunden die Herausforderung klar darlegen. In gewisser Weise hatten wir auch Glück, denn es handelt sich um ein Feriendomizil, sodass man in Bezug auf die Größe der Schränke und ähnliches viel entspannter sein konnten.

M. Ë Sie und Emiliano haben in der Vergangenheit darüber gesprochen, wie Sie sich von einer Reihe historischer Quellen inspirieren lassen. Ich nehme an, dies war bei diesem Projekt nicht anders. Welche Referenzen haben Sie für dieses Projekt herangezogen und wie haben sie das Design beeinflusst?

B.M. Wir schauen uns immer die Meister des Designs an, wenn es um Details, Farben, Materialien und die Raumaufteilung geht. Es ist sehr inspirierend für uns, zu sehen, wie die Dinge früher gemacht wurden. In einem Raum wie diesen, indem alles eingebaut war – musste man den begrenzten Platz wirklich ausnutzen. Bei Neubauten orientiert man sich an den Bedürfnissen einer modernen Familie, während wir uns bei diesem Gebäude sehr stark auf Quellen aus derselben Zeit stützen. Oft ist es so, dass frühere Lösungen besser waren, als das was heute gemacht wird.

M.Ë Sie haben erwähnt, dass Sie auf Quellen aus der gleichen Zeit zurückgreifen mussten. Können Sie uns erklären, wie dieser Inspirations- und Rechercheprozess bei Dimore aussieht? Stöbern Sie in Büchern oder machen Sie Reisen, um Objekte aus der Bauhaus-Ära zu besuchen?

B.M. Wir arbeiten viel mit Büchern, weil das ein einfacher Zugang ist, sich einem Projekt zu nähern. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, besichtigen wir auch gerne die entsprechenden Objekte. Aber natürlich lassen wir uns nicht direkt von all diesen Dingen inspirieren. Inspiration kommt von ganz vielen unterschiedlichen Quellen – das kann auch mal ein Detail bei einem Film sein. Das ist vielleicht eines der Geheimnisse und der Zauber unserer Arbeit – viele Inspirationen kommen von unerwarteten Quellen, und wir interpretieren sie auf unsere eigene Art.

M.Ë Sich von der Geschichte inspirieren zu lassen, ist immer ein Balanceakt, nicht wahr? Wenn man nicht aufpasst, wirkt das Ergebnis schnell wie Kopie des Designs des 20. Jahrhunderts. Wie schafft ihr bei Dimorestudio die Balance zwischen Tradition und zeitgenössischem Design?

B.M. Ich denke, das ist eines der Talente, die Emiliano besitzt. Er hat ein wirklich großes Wissen über historisches und zeitgenössisches Design. Er ist unsere Geheimwaffe, wenn es darum geht, den finalen Look zu kreieren. Es geht immer um Proportionen, um die richtige Mischung und das Layering.

M.Ë Es ist weniger eine Formel als vielmehr ein Gespür?

B.M. Ja. Und ich glaube, viele Leute lassen sich von dem inspirieren, was wir machen. Immer wenn Leute versuchen, unseren Stil oder unser Design zu imitieren, hat man das Gefühl, dass etwas fehlt. Und das ist vielleicht die besondere Begabung die Emiliano hat – in Bezug auf die Proportionen und den Materialmix. Außerdem weiß er immer, wann er aufhören muss, Dinge hinzuzufügen, oder wann es Zeit ist etwas wegzunehmen muss. Das ist wirklich eine Gabe.

M.Ë Bei diesem Projekt haben Sie viele nautische und maritime Elemente aufgenommen, von der Farbpalette bis zu den Materialien. Welche Designentscheidungen wurden davon am meisten beeinflusst?

B.M. Wir befinden uns in einer Gegend am Meer, also wollten wir sicherstellen, dass die Materialien und Farben frisch, sommerlich und hell sind. Und wegen der kleinen Räume muss man auch bei der Farbpalette recht hell bleiben. Da sich der Kunde hauptsächlich im Sommer dort aufhalten wird, haben wir viele Materialien und Farben entsprechend ausgewählt. So haben wir zum Beispiel in einigen Bereichen Sisal statt Teppichboden verwendet; außerdem haben wir für die Tische und Einbauten Holz in einem bestimmten helleren Farbton gewählt.

M.Ë Dimorestudio arbeitet offensichtlich mit Kund:innen zusammen, die etwas ganz Bestimmtes suchen – durchdachtes Design mit überlegtem Einsatz von Materialien und Farben. Wonach sucht die gehobene Kundschaft heute, was sie vor fünf oder zehn Jahren vielleicht noch nicht gesucht hat?

B.M. Die Menschen sind sich der Bedeutung der Verwendung historischer Designobjekte in ihrem Zuhause viel bewusster geworden. Früher lag der Fokus mehr auf Kunst – jeder war daran interessiert, Kunst zu sammeln. Heute sind die meisten unserer Kunden sehr daran interessiert, eine Designsammlung zusammenzustellen. Die meisten unserer Kunden haben immer noch riesige Kunstsammlungen, aber ich glaube, ihr Geschmack und ihr Interesse haben sich auch in Richtung einer Designkollektion entwickelt. Das liegt wahrscheinlich an den Messen, die parallel zu den Kunstmessen stattfinden. Viele Leute haben erkannt, dass bestimmte Stücke historisch gesehen ein Objekt bereichern, durch Patina, Atmosphäre und Stimmung.

Im Latitude 43 wurde zahlreiche nautische und maritime Elemente integriert.

M.Ë Das klingt nach einer positiven Entwicklung für den Markt im Allgemeinen.

B.M. Natürlich kann ich nur von unserem Kundenstamm ausgehen. Wir haben immer versucht, unsere Kunden davon zu überzeugen, ihre Räume mit viel Layering zu gestalten. Kürzlich besuchte ich den Flagship Store von Fendi in der Sloane Street in London. Dieses Projekt ist jetzt wahrscheinlich sieben oder acht Jahre alt. Die Möbel, die wir damals für sie kuratiert haben, sind heute sehr schwer zu finden. Heutzutage sind gute, historische, einzigartige Designstücke generell sehr selten zu finden. Die Leute sind einfach bewusster geworden. Aber nicht jeder hat ein Verständnis für die Patina manche wollen immer nur Neues. Aber, das sind nicht wirklich unsere Kunden.

M.Ë Hat das wachsende Bewusstsein für die Bedeutung des Designs Ihre Arbeit erleichtert?

B.M. Ich weiß nicht, ob es unsere Arbeit leichter gemacht hat, denn wir versuchen immer, unsere Kunden herauszufordern. Wenn also etwas zum Mainstream geworden ist, was das Design oder die Verwendung von Stücken in Wohnungen angeht, neigen wir dazu, es nicht mehr zu verwenden. Die Leute, die zu uns kommen, sind Kunden, die herausgefordert werden wollen, die nach etwas völlig Neuem suchen. Vielleicht haben sie genug von dem, was der Markt derzeit bietet. Denn oft werden Trends zum Standard, und dann verwendet sie jeder, und es wird zum Look and Feel auf der ganzen Linie. Das sind wir nicht. Sobald das passiert, sind wir schon vier, fünft Schritte weiter.

M.Ë Zum Schluss – woran arbeiten Sie aktuell? Können Sie uns schon etwas verraten?

B. M. Wir arbeiten gerade an einem Hotelprojekt. Ich werde noch nichts Genaueres verraten, weil wir noch ganz am Anfang stehen und ich ein bisschen abergläubisch bin. Ich sage nur, dass es sich um einen Hotelneubau in Griechenland handelt und dass es 2028 eröffnet werden soll. Der Bau hat noch nicht begonnen, es ist alles noch ganz am Anfang. Ansonsten haben wir gerade ein Haus in London für einen großartigen Kunden fertiggestellt und arbeiten jetzt an einem weiteren Haus für ihn in Südfrankreich. Derzeit verhandeln wir über eine ganze Reihe von Wohn- und Hotelprojekten. Leider befindet sich der Luxuseinzelhandel derzeit in einer kleinen Flaute, sodass ich denke, dass die Leute ihre Energie und Zeit eher in Hospitality investieren. Deshalb arbeiten wir momentan vor allem in diesem Bereich.

Text
Matt Alaghia
Fotografie
Andrea Ferrari
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