Die Schokolade der Zukunft

 

Culinary and Pleasure

Das Londoner Start-up Win-Win hat eine Schokoladealternative entwickelt, die genauso verarbeitet werden kann wie klassische Schokolade. Sie ist in Bäckereien und Lokalen bereits im Einsatz und sorgt für ein gutes Gewissen.

Sieht aus wie ein Daim-Riegel, schmeckt wie ein Daim-Riegel– nur ganz ohne Kakaobohnen.

(Culinary Start-up) Am Ende landen wir beim selben Aromenprofil. Wir starten nur woanders.“ Die Schokolade von Win-Win, ins Leben gerufen vom britischen Wissenschaftler Johnny Drain, ist ein erstaunliches Produkt. Nur mit größter sensorischer Anstrengung lässt sich erahnen, dass sie nicht aus Kakaobohnen gemacht wird, sondern aus Carob, den gemahlenen Früchten des Johannisbrotbaums, und Gerste – statt aus einem in vielerlei Hinsicht problematischen und anspruchsvollen Rohstoff –, also aus zwei denkbar genügsamen Zutaten, die in vielen Regionen der Welt gedeihen.

Der Startschuss für die Firmengründung kam von einem Topf mit kochenden Kartoffeln. Johnny Drain hatte sich darüber gebeugt und im Dampf voller Erstaunen den Duft von Schokolade wahrgenommen. „Mein Wissenschaftlerhirn kombinierte gleich, dass die Kartoffelschalen eine chemische Verbindung enthalten müssen, die man auch in Schokolade findet.“ Johnny Drain, Doktor der Materials Science, eines interdisziplinären Studiengangs an der Universität Oxford, tüftelte fortan an einer Schokoladealternative, die geschmacklich dem Vorbild ebenbürtig sein sollte. Im Jahr 2020 gründete er WNWN Food Labs (gesprochen Win-Win, wie die Firma mittlerweile heißt). Die finanzielle Expertise kam von der koreastämmigen US-Amerikanerin Ahrum Pak, einer Bankerin.

„Die ganze Welt liebt Schokolade“, so der Lebensmittelentwickler Drain, der sich mittlerweile aus der ersten Reihe zurückgezogen und Mark Golder die Geschäftsführung überlassen hat. „Aber der Stoff, aus dem sie besteht, ist für die Ausbeutung von Millionen Menschen verantwortlich, darunter über eine Million Kinderarbeiter, und sorgt für enorme Umweltschäden.“ Dazu kommen klimatische Veränderungen, die etwa in Ghana und der Elfenbeinküste, wo mehr als die Hälfte des Kakaos weltweit herkommt, für Ernteausfälle sorgen. Die Schokoladenindustrie brauche einen Neuanfang, so die Auffassung bei Win-Win.

Mit achtzig Prozent weniger CO2-Emissionen und einem um neunzig Prozent niedrigeren Wasserverbrauch sei die kakaofreie Schokolade aus England Teil der Lösung. Der umso erfolgversprechender ist, je höher der Kakaopreis und somit der Preis von klassischer Schokolade klettert; eine Entwicklung, die 2022 begann und deren Ende nicht absehbar ist.

Der Startschuss für die kakaofreie Schokolade kam von einem Topf mit kochenden Kartoffeln.

Sogar die renommierte Lyaness Bar in London verwendet WinWin Chocolate für ihren „Comma Chameleon“-Cocktail.

Eine besondere Herausforderung in der Entwicklung der Win-Win-Schokolade war der Schmelz der Kakaobutter, der eng mit der menschlichen Körpertemperatur zusammenhängt – ein Grund, warum uns Schokolade emotional so nah ist, glaubt Johnny Drain. Die Alternative aus Gerste und Carob, beide wie Kakao fermentiert und geröstet, musste sich also nicht nur in aromatischer Hinsicht an kakaohaltiger Schokolade orientieren, sondern auch in haptischer. Ziel war es, ein Produkt zu schaffen, das in der Anwendung dem Original in nichts nachsteht.

Dass man mit der kakaofreien Schokolade genauso backen, sie schmelzen oder reiben kann, beweist etwa die Toad Bakery in London, die mit Win-Win kooperiert, oder das mit einem Grünen Michelin-Stern ausgezeichnete nachhaltige Restaurant Apricity, ebenfalls in London ansässig, wo man eine gebackene Schokoladenmousse mit Miso serviert, die ebenfalls kein Gramm Kakao enthält.

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Anna Burghardt
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