Die Kunst des Matcha

Culinary and Pleasure

Mit seiner leuchtend grünen Farbe und seinem frischen, komplexen Aroma, seiner geschmeidigen Textur und seinem umamireichen Geschmack ist eine Schale sorgfältig zubereiteten, hochwertigen Matchas ein Fest für die Sinne, dessen Zauber alles andere als zufällig ist.

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(Kulinarik)

Mit seiner leuchtend grünen Farbe und seinem frischen, komplexen Aroma, seiner geschmeidigen Textur und seinem umamireichen Geschmack ist eine Schale sorgfältig zubereiteten, hochwertigen Matchas ein Fest für die Sinne, dessen Zauber alles andere als zufällig ist. Jedes Element, von der attraktiven Optik des Matchas bis zu seinem komplexen Geschmack, ist ein Beweis für die sorgfältige Handwerkskunst und tiefe kulturelle Bedeutung, die in jedem Schritt seiner aufwendigen Herstellung steckt. Während wir Matcha heute als etwas typisch Japanisches und als anregendes Getränk für den alltäglichen Genuss betrachten, war er ursprünglich weder das eine noch das andere.

Als buddhistische Mönche im 8. Jahrhundert das Wissen über Teeanbau und -konsum von ihren Chinareisen nach Japan brachten, wurde Tee hauptsächlich von der Geistlichkeit und der kaiserlichen Elite wegen seiner meditativen und gesundheitsfördernden Eigenschaften konsumiert. Damals wurde das Getränk aus gepressten Teeblöcken zubereitet, die dann pulverisiert und kochendem Wasser hinzugefügt wurden. Es sollte noch weitere 200 Jahre dauern, bis die Zubereitungsmethode des „geschlagenen Tees, die den heutigen Zubereitungsarten von Matcha viel näher kommt, die japanischen Küsten erreichen würde.

Es ist bemerkenswert, dass die Teeblätter von Anfang an im Gesamten konsumiert wurden – eine Besonderheit, der die Heilwirkung von Matcha heute noch zugeschrieben wird: Durch die Einnahme des ganzen gemahlenen Teeblattes absorbiert man viel mehr Nährstoffe und Antioxidantien als bei anderen Grüntees. Antioxidantien sind bekannt dafür, freie Radikale zu fangen und oxidativen Stress zu reduzieren, die beide am Alterungsprozess beteiligt sind und zu einer Reihe von Krankheiten führen können.

Der Nährstoffgehalt von Matcha, seine Farbe und sein Geschmack hängen eng mit dem Erntezeitpunkt, den Anbaumethoden und der japanischen Praxis des Beschattens des Tees zusammen. Mehrere Wochen vor der Ernte werden die Teebüsche mit einem Dach aus Seihtüchern bedeckt, das die traditionelle Strohabdeckung ersetzt. Der Mangel an direktem Sonnenlicht fördert die Ansammlung von Chlorophyll, wodurch die Blätter grüner, und Geschmack und Aroma des Tees verbessert werden. Nicht zuletzt macht sein hoher Chlorophyllgehalt Matcha auch zu einem hervorragenden Entgiftungsmittel, das hilft, schädliche Toxine aus dem Körper zu entfernen.

Yokan ist ein traditionelles japanisches Konfekt, und bei Toraya stellen sie das ganze Jahr über eine mit Matcha aromatisierte Yokan namens 'Verdure' her. Es zeichnet sich durch eine natürliche hellgrüne Farbe und eine angenehme bittere Note aus.

EINE ALTE
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QUELLWASSER DIE WASSERQUALITÄT IST BESONDERS, DAHER WIRD FRISCHES QUELLWASSER BEVORZUGT, DAS IN EINEM SPEZIELLEN EISENKESSEL ABGEKOCHT WIRD

Um einen starken Umamigeschmack zu entwickeln, ein echtes Merkmal japanischen Tees, müssen die Pflanzen Mineralien aus dem Boden speichern – entweder auf natürliche Weise oder mit Hilfe von Kunstdüngern, die meistens den Einsatz von Pestiziden erfordern. „Es ist schwieriger, einen Bio-Matcha zu bekommen, der geschmacklich wirklich gut ist, erklärt Tim DOffay von Postcard Teas, einem renommierten Teeladen in London, der sich auf Tee von kleinen Plantagen spezialisiert hat. Obwohl es im Ausland einen großen Markt für Bio-Matcha gibt, sind viele Spitzenklasse-Produkte in Japan nicht zertifiziert. DOffay bemüht sich dennoch, umweltfreundliche Produkte zu beziehen, die ohne Agrochemikalien angebaut werden. Für ihn geht es nicht nur um unbelastete Produkte und bessere Bedingungen für die regionalen Gemeinden, sondern auch darum, etwas zu trinken, das dem ursprünglichen japanischen Matcha näher kommt. DOffay, der mehr als 30 Jahre in Japan lebte und seit den 1990er Jahren Tee importiert, ist ein Pionier und starker Befürworter der Idee von Provenienz des Tees – ein Begriff, der in der Kunstwelt normalerweise verwendet wird, um die Entstehungsgeschichte eines Kunstwerks und dessen wechselnden Besitz zu beschreiben. Um Klarheit und Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten und den Kund:innen Informationen zum Aufbau von Kennerschaft zu geben, trägt jeder seiner Tees mindestens den Namen und den Standort der Herstellerfirma – eine gängige Praxis für Spezialitätenkaffee, aber alles andere als selbstverständlich für grünen Tee. Tatsächlich wird, wie Tim DOffay es ausdrückt, „Matcha von den meisten Produzent:innen unter dem Namen anderer verkauft. Das liegt an Importen, aber auch daran, dass die Veredelung des Tees in Japan in der Regel von Hersteller:innen oder professionellen Teeveredler:innen durchgeführt wird. Während die Produzent:innen die Blätter dämpfen, um die Oxidation zu stoppen und die Farbe zu erhalten, und sie anschließend trocknen, verwandeln die Hersteller:innen den unraffinierten Tee, Aracha genannt, durch Sortieren, Sieben und Schneiden in Tencha, der dann zu Matcha gemahlen wird. Generell gilt: Je genauer die Herkunft des Produkts auf dem Etikett angegeben ist, desto besser.

Geografisch gibt es in Japan drei Hauptanbaugebiete für Tencha-Tee: Uji in der Präfektur Kyōto, die wohl bekannteste regionale Teemarke Japans, Nishio in der Präfektur Aichi mit dem zweitgrößten Produktionsvolumen des Landes nach Kyōto, und Yame in Fukuoka als wichtigste aufstrebende Tencha-Region. Kyōtos Geschichte als beliebtes Teeanbaugebiet reicht bis ins späte 12. Jahrhundert zurück. Im 14. Jahrhundert, als Teespiele ein beliebter Zeitvertreib unter der Kriegerklasse waren, wurden den Gästen verschiedene Schalen Tee serviert und sie mussten raten, ob das, was sie tranken, echter Tee aus Toganoo, einer Bergregion nordwestlich von Kyōto, oder unauthentischer Tee war, aus anderen Regionen. Ein Jahrhundert später übernahm Uji die Rolle des Hauptanbaugebiets.

Bei der Veredelung von Tencha mischen Hersteller:innen traditionell verschiedene Teesorten, um den Preis zu stabilisieren und Qualität und Geschmack des Endprodukts auszugleichen. So entsteht ein wiedererkennbarer Tee, der für ihre Marke steht. „Bei Matcha sind Mischungen eine Kunst, erklärt Richard Eigner, ein österreichischer Klangkünstler mit Sitz in Wien, der in seinem Onlineshop „Green tea – Blue sky“ eine kuratierte Auswahl an japanischem Matcha und losem Tee anbietet. Anders als bei anderen Produktkategorien sind Bezeichnungen wie „sortenrein“ für Matcha per se kein Qualitätskriterium. Ebenso empfiehlt Eigner, Etiketten, die Produkte als zeremonielle Qualität anpreisen, mit Vorsicht zu genießen, da es dafür keine Industriestandards gibt. Letztlich handelt es sich um Marketing, das wenig mit der eigentlichen japanischen Teezeremonie zu tun hat, einer ritualisierten Form der Teezubereitung, die tief in den Zen-buddhistischen Traditionen Japans verwurzelt ist.

Die Beherrschung des Chadō, was übersetzt „Weg des Tees“ bedeutet, erfordert jahrelanges Studium und soll ein lebenslanger Prozess sein. Die Teezeremonie wurde im 16. Jahrhundert zu einer Kunstform erhoben, als der Teemeister Sen no Rikyū die Verfahren zur Zubereitung und zum Trinken von Matcha kodifizierte, die die vier Grundprinzipien Harmonie, Respekt, Reinheit und Ruhe verkörpern. Zu dieser Zeit hatte die Teekultur in Japan bereits mehrere Veränderungen durchgemacht. In nur wenigen Jahrhunderten entwickelte sich Matcha von einem Getränk, das für religiöse Zeremonien in Tempeln verwendet wurde, zu einem Luxusgut, das Versammlungen der Elite vorbehalten war. Auch unter Samurais gewann es als energie- und konzentrationssteigerndes Getränk vor der Schlacht an Beliebtheit. Rikyū, zu dessen Lebzeiten Tee für Herrscher neben wertvollen Objekten und Teeutensilien zu einem Mittel geworden war, mit dem sie Reichtum und politische Macht zur Schau stellten, definierte die Teezeremonie neu und rückte den ästhetischen Sinn des Wabi-Sabi in den Mittelpunkt – die Wertschätzung natürlicher Schönheit und Unvollkommenheit. Im Laufe der langen Geschichte des Chadō haben sich mehrere Schulen der japanischen Teezeremonie entwickelt, die sich entweder in der Methode oder in den ästhetischen Merkmalen unterscheiden.

Chasen
Der Besen, der den Tee aufschäumt, besteht aus Bambus

Eine weitere wichtige Eigenschaft von Matcha ist sein frisches Aroma, das an süßes Gras erinnert. Obwohl moderne Konservierungs- und Lagerungsmethoden es ermöglichen, Matchapulver mehrere Monate lang frisch zu halten, ziehen es manche Importeure vor, das Mahlen selbst zu übernehmen. Postcard Teaseigene, traditionelle Steinmühle ermöglicht es beispielsweise, Michelin-Restaurants in London mit Matcha zu beliefern, der am selben Tag gemahlen wurde. Kettl, ein in den USA ansässiges japanisches Teeunternehmen mit einem Büro in Fukuoka, mahlt seinen importierten Tencha vor Ort in New York. Zusätzlich zu ihrem Sortiment an Mischungen, Einzelsorten und terroirspezifischem Matcha bieten sie ein Abonnementservice an: Jeden Monat erhalten Mitglieder des Matcha Mill Club einen exklusiven Matcha von Kettls japanischen Produzent:innen, der vor dem Versand vor Ort in Brooklyn frisch gemahlen wird.

Während Meinungen sich über die Relevanz des frischen Mahlens scheiden, sind sich Matchaexpert:innen bei der Zubereitung in einigen Punkten einig: Erstens sollte Matcha immer in die vorgewärmte Schale gesiebt werden, um Klümpchen zu vermeiden und das Mundgefühl zu verbessern. Zweitens sind für zwei Gramm Matcha etwa 50 bis 70 Milliliter auf etwa 80 °C abgekühltes Wasser die Regel. Und drittens liegt der Schlüssel zu einem Matcha mit feincremigem Schaum und reduzierter Adstringenz in der schnellen Hin- und Herbewegung des Chasen, des traditionellen Bambusbesens, mit dem Handgelenk. Aroma, Geschmack und Mundgefühl verändern sich allerdings je nach verwendeter Teemenge, Wasserqualität und -temperatur sowie der Art des Aufschlagens. Für Richard Eigner ist das die wahre Schönheit der Matchazubereitung zu Hause: Die eigene Interpretation eines Tees zu finden.

Postcard Teaseigene, traditionelle Steinmühle
ermöglicht es beispielsweise, Michelin-Restaurants
in London mit Matcha zu beliefern,
der am selben Tag gemahlen wurde.

Unterricht im Tee-Weg
Eine Lektion, in der der Weg des Tees, auch bekannt als Chadō, gelehrt wird. Die Ausbildung zum Teemeister dauert etwa 10 Jahre.
TEXT
Sarah Satt
FOTOGRAFIE
Nik van der Giesen
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