Borja Marreros radikal-lokale
Kaktus-Küche auf Gran Canaria
Fast könnte man meinen, Borja Marrero sei besessen von den ungenutzten autochthonen Produkten Gran Canarias. In seinem Gastronomieprojekt MuXgo zollt der Koch und Landwirt seiner Heimatregion Tejeda Tribut – unter anderem mit dem ersten Kaktus-Menü Europas.
(Wurzeln) Obsessionen sind etwas Gutes – wenn man sie auf kontrollierte Weise auslebt, ist Borja Marrero überzeugt. Zu den „kontrollierten Obsessionen“ des kanarischen Kochs zählen der auf Gran Canaria wild wachsende Feigenkaktus und die einzig auf der spanischen Inselgruppe vorkommende Kanarische Kiefer, deren Rinde Bränden standhält und mit Tabak- und Schokoladenoten überrascht. Zusammen mit den Produkten und Nebenprodukten – Stichwort Molke – seiner eigenen Landwirtschaft bilden sie die DNA von Marreros radikaler Territorialküche.
Ferrán Adria, Juan Mari Arzak und Ramón Freixa – Marrero hat bei einigen der besten Köche Spaniens gelernt. Um sich des kulinarischen Reichtums seiner Heimatinsel bewusst zu werden, musste er sich aber zunächst weit von dieser entfernen. In Mexiko, wo er ein Restaurant eröffnete und für Hotelgruppen arbeitete, stieß er auf den Nopal – eine Feigenkaktusart, die mit dem auf Gran Canaria beheimateten Tunera verwandt ist.
Während man in der mexikanischen Küche die gesamte Pflanze nutzt, fanden auf den Kanaren bislang nur die Früchte Verwendung. Ein Aha-Erlebnis, welches Marrero das ungenutzte Potenzial der kanarischen Küche aufzeigte und den Grundstein für seine 0-Kilometer-Philosophie legte. Heute ziert der Tunera neben dem Unterarm des Kochs auch eine Wand in dessen Restaurant MuXgo, in dem Marrero ihn im Rahmen eines „Solo Tunera“-Menüs zelebriert. Die insgesamt 75 Veredlungsmethoden, die er mit seinem Team erprobt hat, dienen als Basis für Gerichte wie Gegrillte Kaktus-Escabeche, Tunera-Confit mit Kaktusfett und -consommé oder zitronigen Tunera-Pie.
Zum ökologisch bewirtschafteten Familienbetrieb, der inmitten des Vulkankraters und innerhalb eines UNESCO-Weltkulturerbes liegt, gehören neben Obst- und Gemüsegärten auch Rinder, Ziegen und Schafe in Freilandhaltung sowie eine
Käse- und Eismanufaktur.
Das MuXgo im Hotel Plaza Sostenible Santa Catalina im historischen Zentrum von Las Palmas de Gran Canaria hat nur von Oktober bis April geöffnet. Länger als ein paar Tage halte er es in der Hauptstadt nicht aus, gesteht der umtriebige Koch. Die restliche Zeit hat er mit der Landwirtschaft in Tejeda alle Hände voll zu tun. Zum ökologisch bewirtschafteten Familienbetrieb, der inmitten des Vulkankraters und innerhalb eines UNESCO-Weltkulturerbes liegt, gehören neben Obst- und Gemüsegärten auch Rinder, Ziegen und Schafe in Freilandhaltung sowie eine Käse- und Eismanufaktur. Nach seiner Rückkehr aus Mexiko hat Marrero mit dem Restaurant Texeda inmitten der Farm seine Vision von einer auf Kreislaufwirtschaft basierenden hyperlokalen Gastronomie umgesetzt.
Mit der Eröffnung von MuXgo hob er 2022 das Konzept zusammen mit den Geschmäckern seiner Region auf Fine-Dining-Niveau, was der Guide MICHELIN prompt mit dem ersten Grünen Stern der Kanarischen Inseln belohnte. 2024 folgte der erste Michelin-Stern.
Wenn Borja Marrero über MuXgo spricht, nimmt er nie das Wort „Restaurant“ in den Mund. Für ihn ist es vielmehr ein gastronomisches Projekt in stetiger Entwicklung – eines, das auf seiner Farm in Tejeda begonnen hat und dorthin, wie einst er selbst, zurückkehren soll. In ein bis zwei Jahren sollen Gäste Marreros Kreationen dort genießen können, wo die ihnen zugrundeliegenden Obsessionen ihren Anfang nahmen.