AmiAmalia —
Gestrickt aus Erinnerungen

(Strick) In einer Welt der Überproduktion beginnt Luxus oft mit Verzicht – auf Schnelllebigkeit, auf Übermaß, auf wertlose Wegwerfware. Für Amalia Săftoiu, eine Juristin mit internationaler Karriere, war es ein Bruch mit allem Vertrauten, als sie 2017 eine stillgelegte Strickwarenfabrik in Siebenbürgen übernahm. Ohne Erfahrung im Design, aber mit einer glasklaren Vision und einer Erinnerung, so zart wie prägend: das Gefühl reiner Wolle auf der Haut – ehrlich, warm, lebendig.

Aus dieser Erinnerung heraus entstand AmiAmalia – und daraus wiederum erwuchs die Erkenntnis, dass textile Ehrlichkeit im globalen Modebetrieb zur Rarität geworden ist. Keine Synthetik, keine Lager voller Überproduktion, kein Platz für Fast Fashion. Stattdessen: kleine Auflagen, durchdachte Schnitte, elegante, hochwertige Stoffe wie Babyalpaka, italienischer Kaschmir, Maulbeerseide. Im Mittelpunkt steht das, was heute fast verloren scheint: Strick als Handwerk, als Sprache, als textile Meditation.

Garne, die eine stille, aber eindrückliche Sprache sprechen – sie wärmen, ohne zu beschweren. Sie schmiegen sich an, ohne dabei einzuengen. Die Schnitte sind minimalistisch, doch nie streng. Jeder Pullover, jede Strickhose, jedes Kleid folgt einer leisen Dramaturgie von Form, Funktion und Emotion. Die Texturen sind weich und vielschichtig – vom hauchdünnen Seidenstrick bis zum voluminösen Ripp aus Alpaka-Garn.

Die Kollektionen greifen Farben und Muster der transsilvanischen Folklore auf – allen voran die „rumänische Bluse“, poetisches Zentrum der Linie. Ein archetypisches Kleidungsstück, über Generationen weitergegeben, verziert mit Ornamenten, die Geschichten von Herkunft, Status und Wandel erzählen. Tradition wird hier nicht konserviert, sondern weitergedacht – Masche für Masche. Transsilvanien – oft reduziert auf einen literarischen Mythos – ist in Wahrheit das textile Herz Rumäniens. Die Region, geprägt von deutschen und ungarischen Einflüssen, vereint handwerkliches Know-how mit einer kraftvollen visuellen Sprache. Săftoiu nutzt sie klug – ihre Kampagnen mit Model Diana Moldovan inszenieren die Landschaft als emotionale Bühne, auf der Natur, Stoff und Körper in Resonanz treten.

Als Unternehmerin agiert Săftoiu effizient, beinahe ingenieurhaft: Kurze Produktionszyklen, Retouren, die durch präzise Beratung minimiert werden und das Vermeiden von Überproduktion. Gefertigt wird on demand – was heute bestellt wird, verlässt bereits wenige Tagen darauf die Werkstatt. Eine schöne Rückbesinnung auf Maßarbeit im Rhythmus der Moderne.

Dass AmiAmalia mehr ist als ein Nischenprojekt, zeigt der wachsende Erfolg: Auftritte bei den Modewochen in Bukarest und Budapest sowie Kooperationen mit Stylistinnen wie Domnica Mărgescu, deren Store „Aparterre“ längst zu einem modischen Fixpunkt in Osteuropa geworden ist. Ihre Fashionshows besetzt sie mit einem feinfühligen Cast aus Schauspieler:innen, Modekenner:innen und einer 86-jährigen Dame, die den Runway mit Anmut und Geschichte füllt. Mode als Inklusion – nicht als Pose.

Mit der Eröffnung des ersten Flagship-Stores in Bukarest Ende 2024 folgte nun der nächste Schritt hin zu mehr Sichtbarkeit. Nicht nur lokal, sondern europaweit. Denn die Werte von AmiAmalia sind universell: Qualität, Nachhaltigkeit, Transparenz. Ein Naturgarn sei atmungsaktiv, langlebig, geruchsneutral – aber vor allem, sagt Săftoiu, sei er „ehrlich“. So wie ihre Marke. Und wie das Versprechen, dass ausgerechnet ein Ort wie Bukarest das neue Zentrum stiller Raffinesse werden könnte. Denn wie Magda Butrym für Warschau oder Nanushka für Budapest zeigt auch AmiAmalia in Rumänien: Relevanz entsteht dort, wo Tradition, Mut und Substanz sich nicht ausschließen, sondern zu etwas Neuem verstrickt werden.