Flowsofly ist einer der spannendsten Lineart-Künstler unserer Zeit. Mit minimalistischen Zeichnungen fängt er intime Momente und echte Emotionen ein – und setzt dafür nicht einmal den Stift ab. Für Maison Ë hat er eine limitierte Auflage gestaltet, die in ausgewählten Ausgaben der Founders Edition beiliegt. Im Interview gewährt er uns Einblicke, wie seine Kunst auch zwischen den Zeilen zu lesen ist.
MAISON Ë Du hast dich entschieden, als Künstler anonym zu bleiben. Wie beeinflusst das deine Beziehung zu deiner Kunst und deinen Followern?
Wenn du sagst, dass meine Linien viel aussagen, dann möchte ich auch deinem Kopfkino Lob und Anerkennung zollen, denn in Wahrheit sind es die Fantasien und Interpretationen der Betrachter:innen, die meine Werke ausfüllen und ihnen Bedeutung geben. Manche Personen sind offener und empfänglicher für eine interpretative Gedankenreise, andere wollen sich lieber zurücklehnen und die ganze Geschichte erzählt bekommen.
Nach über 15 Jahren als aktiver User auf Social Media habe ich also ein differenziertes Fazit. Social Media war und ist extrem bereichernd für mich. Kreativ, sozial, politisch, unternehmerisch. Ich bin mit so vielen Ideen und Personen in Kontakt, das wäre analog so nicht vorstellbar. Die größte Bereicherung ist sicherlich das Kennenlernen von neuen Personen und die Interaktion mit meiner Community.
M.Ë Ich kann mir vorstellen, dass die Leute ganz unterschiedlich auf deine Kunst reagieren. Gab es mal eine Interpretation, die dich besonders berührt oder überrascht hat?
F. Ich glaube, dass wir uns manchmal nach Identifikations- und Kommunikationsmöglichkeiten abseits von Worten sehnen. Und manchmal auch nach Anlaufstellen, die wir aufsuchen können und die nicht fragen, wer wir sind oder woher wir kommen, wie wir aussehen, sondern einfach da sind und uns eine Art Umarmung anbieten können. Wenn meine Kunst so eine Rolle einnehmen darf, dann rührt mich das zutiefst. Da viele meiner Werke das Zwischenmenschliche thematisieren, erhalte ich viele Rückmeldungen von Menschen, die mir ihren Herzschmerz, ihre Traumata, ihre Liebesodyssee oder Wunschvorstellungen anvertrauen.
„In meiner Kunst versuche ich, eine Balance zwischen spezifisch und abstrakt, konkret und offen, erklärend und geheimnisvoll herzustellen.“
M.Ë Was treibt dich persönlich und deine Kunst an?
F. Ich finde, das Leben braucht Neugierde und Leichtigkeit. In meiner Arbeit heißt das, aus meiner Komfortzone zu treten und mich meinen Gedanken, Ängsten und Fantasien zu stellen. Wie viele andere mache ich oft einen großen Bogen darum, manchmal bekomme ich einen wohlwollenden Tritt in den Hintern und manchmal bringe ich selbst den Mut dazu auf. Sich selbst und die eigene Arbeit zu hinterfragen, kann existenzielle Folgen haben. Diese Reflexionen sind aber wichtig, um sich weiterzuentwickeln und anzuerkennen, dass sich das Rad der Welt außerhalb und innerhalb von einem selbst weiterdreht. An etwas krampfhaft festzuhalten, ist in Wahrheit nur das Verneinen der neuen Gegenwart. Man muss lernen, sich von der Vergangenheit zu befreien und sein Packerl, das jeder zu tragen hat, klein zu halten. Frieden zu schließen.
M.Ë Gibt es Themengebiete, die du unbedingt noch erforschen möchtest?
F. Ich versuche, mich stets weiterzuentwickeln. Aktuell liegt mein Fokus auf dem kreativen Prozess. Thematisch möchte ich mich neben der menschlichen Natur auch anderen, natürlichen Themen widmen, vielleicht der Botanik. Was die Materialien betrifft, möchte ich wieder mehr experimentieren. Farbe ist auch ein riesiges Thema für mich.
Ein Projekt, das ich hier anteasern möchte, ist Schmuck. Nach einigen Experimenten mit Formen und Materialien machen wir in diesem Bereich super Fortschritte, meine Kunst als tragbare Skulpturen und Schmuck zu entwickeln.
M.Ë Wie definierst du eigentlich Kreativität für dich?
M.Ë Viele deiner Werke fangen flüchtige Momente ein. Ist Kunst eine Möglichkeit, diesen Augenblicken Dauer zu verleihen?
F. Ja, das Kunstwerk ist etwas Statisches. Aber die Interaktion damit findet im Hier und Jetzt statt. Und je nachdem, was einen gerade beschäftigt, zeichnet sich in der eigenen Gedankenwelt ein anderes Bild ab. Die Idee, einen Augenblick, ein Gefühl, eine Person erlebbar und wieder erlebbar zu machen, ist ein schöner Gedanke. Und wohlgemerkt auch einer, der sich verändern kann, der beim neuerlichen Betrachten neue Assoziationen, Gedanken und Gefühle entwickeln kann. Darum mag ich eine gewisse Abstraktion in der Kunst, das fördert das weiterführende und variable Denken und Fühlen.