Arabella Greenhill
Eine Reise durch
Mode und Kreativität
In der sich ständig wandelnden Modewelt hat kaum jemand die Veränderungen so miterlebt und geprägt wie die international bekannte Stylistin Arabella Greenhill. In ihrer bemerkenswerten Karriere von über 35 Jahren hat die Londonerin alles gesehen.
(Mode)In diesem exklusiven Interview für Maison Ë blickt die 55-jährige zweifache Mutter auf ihre ruhmreiche Karriere zurück und gibt Einblicke in die dramatischen Veränderungen, die sie beobachtet hat, sowie die unvergesslichen Momente, die ihren Weg geprägt haben. Sie enthüllt die Inspirationen hinter ihrem eleganten persönlichen Stil, von ikonischen Modenschauen bis hin zu einzigartigen Erlebnissen, darunter ihre anhaltende Liebe zu Trenchcoats und ihre Bewunderung für die Schauspielerin Lauren Hutton. Außerhalb des glamourösen Reichs der Mode findet Greenhill jetzt Freude und Erfüllung in der friedlichen Keramikwelt, wo sie ihre Kreativität in ein völlig neues Medium einfließen lässt und weiterhin andere mit ihrer Leidenschaft und ihrer Fantasie inspiriert.
MAison Ë Können Sie uns mehr über Ihren Weg in der Modebranche erzählen, von Ihren Anfängen als Stylistin und Moderedakteurin?
Arabella greenhill Ich habe eine lange Karriere hinter mir, 35 Jahre in der Modebranche. Können Sie sich das vorstellen – als ich in den 90ern bei Vogue anfing, tippten wir noch Texte auf Schreibmaschinen mit Durchschlagpapier. Es fühlt sich an wie eine Geschichte aus dem Mittelalter. Ich habe so viele Veränderungen miterlebt; es war eine unglaubliche Reise.
M.Ë Wie fing alles an?
A.G. Meine Mutter hat uns jede Woche Zeitschriften besorgt, als wir klein waren. Ich muss ungefähr acht gewesen sein, da habe ich kleine Pferdezeitschriften geliebt, später habe ich mich für Teenagerzeitschriften interessiert. Das Musikmagazin Smash Hits war das absolut Coolste: Da habe ich beschlossen, dass ich in der Medienbranche arbeiten möchte. Ich war keine große Autorin, also bin ich auf die Kunstschule gegangen und habe einen Grundkurs im Wimbledon College of Art belegt, weil ich dachte, ich würde einen Abschluss in Modetextilien machen. Aber während ich dort war, wurde ich als Model entdeckt. Zum Entsetzen meiner Eltern habe ich mich dem Modeln zugewandt, anstatt an die Universität zu gehen. Natürlich war es viel aufregender, um die Welt zu reisen, als in der Uni zu sitzen.
In den späten 80ern habe ich durch das Modeln in allen großen Modemetropolen eine ganze Reihe neuer Karrieren, Möglichkeiten und Lebensstile kennengelernt. Ich habe Fotograf:innen, Assistent:innen und Stylist:innen kennengelernt. Viel mehr Berufe als ich überhaupt kannte. 1990 bin ich für vier Jahre nach New York gezogen, wo ich als Praktikantin und Assistentin bei Top-Stylist:innen und Fotograf:innen gearbeitet habe. Ich habe unglaubliche Leute kennengelernt, darunter Supermodels wie Christy Turlington. Für mich war das die großartigste Ausbildung und es hat mir wirklich eine unglaubliche Arbeitsmoral beigebracht. Nach meiner Rückkehr nach Großbritannien habe ich bei Vogue, Tatler, Marie Claire, InStyle und dem Stylist Magazine gearbeitet.
M.Ë Wie hat sich Ihre Arbeit als Stylistin und Fashion Director im Laufe der Jahre verändert?
A.G. Es hat sich viel verändert. Ich möchte nicht wirklich etwas über digitale Affiliates lernen … Ich liebe es, kreativ zu sein und schöne Dinge zu schaffen. Das braucht Zeit. Früher sind wir für ein Shooting nach New York geflogen, haben zwei Tage im Studio für eine achtseitige Strecke verbracht und mit Kleidung und Styling experimentiert. Jetzt geht alles schneller und ist im Vorhinein geplant. Ich bereite ein detailliertes Moodboard für Haare, Make-up und Garderobe vor und wir fotografieren 14 Seiten an einem Tag.
Aber alles an diesem Job hat sich geändert. Der Streetstyle hat sich weiterentwickelt. Früher wurde er von ein paar Kultfotograf:innen wie Bill Cunningham eingefangen, aber heute sind mehr Fotograf:innen draußen als drinnen bei den Shows. Die Leute kleiden sich oft eher für Streetstyle-Fototermine als für die Shows. Ursprünglich spiegelte der Streetstyle persönlichen Stil und Kreativität wider und vermischte High Fashion mit Alltagsstücken. Heute wirkt er manchmal inszeniert. Der Wechsel von hinter der Kamera zu vor der Kamera hat Modeleute verändert. Früher hatten Zeitschriften die Priorität in der ersten Reihe, aber heute haben E-Commerce und Influencer:innen die Oberhand gewonnen. Redakteur:innen waren früher wirklich wichtig, heute sind sie in der dritten Reihe. Ich hatte unglaublich Glück, diese goldenen Jahre miterlebt zu haben.
M.Ë Was ist eines der unvergesslichsten Projekte oder Fotoshootings, an denen Sie gearbeitet haben, einer Ihrer absoluten Lieblingsmomente in Sachen Mode?
A.G. Ich habe so viele großartige Momente erlebt, aber einer sticht besonders hervor: ein Cover-Shooting mit Lauren Hutton 2017 in New York für das Stylist-Magazin. Sie riefen mich an einem Freitag an und fragten, ob ich am Montag nach New York kommen könnte, um Lauren Hutton zu fotografieren. Die Zusammenarbeit mit ihr war großartig – so eine ikonische und unglaubliche Frau, und so lustig. Die Fotos mit der Fotografin Pamela Hanson sind immer noch meine Favoriten. Zu meinem 50. Geburtstag hat mein Freund Tom Gorman, der Fotodirektor bei Stylist, Pamela dazu gebracht, mir einen Abzug von Laurens Porträt zusammen mit einem Geburtstagsbrief von Lauren selbst zu schenken. Ich war total überwältigt. Ich habe es eingerahmt und es ist nun in meinem Wohnzimmer.
Der Besuch von Modenschauen hat mir viele unvergessliche Erlebnisse beschert, insbesondere die von Alexander McQueen. Die erste McQueen-Show, die ich besucht habe, war 1994, als er gerade anfing. Eine der großartigsten Shows war 2004, inspiriert von dem 1969 erschienenen Film „Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss“ von Sydney Pollack, bei dem Tänzer:innen anstelle von Models auftraten. Es war ein ikonischer Moment, als die Menge zu stürmischem Beifall aufsprang. Ich kann den Applaus noch immer nachhallen hören. Der Besuch der McQueen-Ausstellungen in New York und London ließen diese Erinnerungen wach werden und es erfüllte mich mit Stolz, Zeugin solch großartiger Modemomente gewesen zu sein. Viele Chanel-Shows waren ebenfalls atemberaubend, insbesondere die unvergessliche, bei der Karl Lagerfeld 2014 das Grand Palais in Paris in einen Supermarkt verwandelte. Und einen schicken noch dazu!
„Ich liebe es, kreativ zu sein und schöne Dinge zu schaffen. Das braucht Zeit.”
M.Ë Wie hat sich Ihr persönlicher Stil im Laufe der Jahre entwickelt und welche Schlüsselerlebnisse oder Einflüsse haben ihn geprägt?
A.G. Während der Fashion Weeks, bei denen ich in 30 Tagen über 100 Shows besuchte, musste ich jeden Tag ein anderes Outfit finden und meine Garderobe optimal ausnutzen. Dieses Leben führe ich nicht mehr. Ich bin jetzt 55, habe Kinder und ein globales Bewusstsein für Modekonsum hat meine Art, mich zu kleiden, beeinflusst. Wenn man älter wird, wird man selbstbewusster in seinem Stil. Stoffe sind wichtig. Ich bin mit einem zeitlosen, klassischen Look zufrieden. Für mich sind es die kleinen Kniffe, zum Beispiel wie ich mein Hemd trage – mit hochgestelltem Kragen oder locker und offen –, die es für mich trendy machen.
M.Ë Wie schaffen Sie es, aktuellen Trends zu folgen und gleichzeitig einen unverwechselbaren Stil beizubehalten?
A.G. Ich möchte stilvoll, schick und komfortabel aussehen. Meine Kleidung soll mich nicht in den Schatten stellen. Sie können dieselbe Grundgarderobe haben – Kaschmirpullover, Hemden, T-Shirts, Jeans –, aber erst die Art und Weise, wie Sie sie kombinieren und tragen, macht sie modern und schick. Die Form der Jeans, wie eng sie sitzt und welche Farbe sie hat, das alles macht einen Unterschied. In meinem Alter bevorzuge ich mittelblauen oder dunkelblauen Denim, weil er eleganter aussieht. Ich entscheide mich im Allgemeinen für eine gedämpftere Farbpalette, wobei meine roten Haare der Farbtupfer sind. Seit COVID habe ich keine Absätze mehr getragen. Ich bin in flachen Schuhen viel glücklicher.
M.Ë Was steht auf Ihrer Einkaufsliste für den Herbst 2024?
A.G. Ich habe im Laufe der Jahre eine schöne Garderobe zusammengestellt. Wenn ich jetzt also etwas kaufe, was sehr selten vorkommt, denke ich: „Kann ich das 30 Mal tragen?“ Ich möchte hochwertige, langlebige Stoffe, die sich gut anfühlen. Ich liebe Jeans von Citizens of Humanity und habe eine leichte Obsession mit Ancient Greek Sandals. Ich besitze wahrscheinlich um die 30 Paar in verschiedenen Stilen. Ich liebe Sandalen, obwohl ich im falschen Land dafür lebe. Einige süße Ballerinas von Gianvito Rossi oder Espadrilles von Chanel sind ebenfalls meine Favoriten.
M.Ë No-Gos: Gibt es etwas, das Sie niemals tragen würden?
A.G. In Sachen Mode habe ich gelernt, niemals nie zu sagen. Ich habe in der Vergangenheit bestimmten Stilen abgeschworen, die sich dann gerächt haben, indem sie wiederkamen. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die Tage der bauchfreien Tops für mich wahrscheinlich vorbei sind, und ich bezweifle, dass ich in absehbarer Zeit Jeggings tragen werde. Aber Trends tauchen immer wieder in einer neuen Variante auf. Ich habe viele Trends kommen und gehen sehen, und manchmal fragen meine Kinder, ob ich bestimmte Klamotten noch habe. Ich habe nicht das Bedürfnis, die 90er wieder aufleben zu lassen – ich habe sie beim ersten Mal geliebt.
M.Ë Was tragen Sie, wenn Sie zu einer Modenschau eingeladen sind?
A.G. Wenn man eine Modenschau besucht, insbesondere als Gast, finde ich es höflich, eine Tasche oder ein Accessoire mitzubringen, das zur Veranstaltung passt. Wenn Sie nicht diese Marke tragen, entscheiden Sie sich für etwas Dezentes und Markenloses. Wäre ich beispielsweise zu einer Dior-Show eingeladen, würde ich keine Hermès-Tasche tragen. Stattdessen würde ich vielleicht eine Tasche von einem kleinen, unabhängigen skandinavischen Label wählen, das nicht nach einer anderen Konkurrenzmarke schreit.
M.Ë Was war eine der größten Herausforderungen, mit denen Sie in der Modebranche konfrontiert waren und wie haben Sie sie bewältigt?
A.G. Eine der größten Herausforderungen derzeit ist der Rückgang der Zeitschriftenleserschaft. Meine Kinder zum Beispiel haben kein Interesse daran, Gedrucktes zu lesen. Sie sind 21 und 18 Jahre alt und greifen nicht zu Zeitschriften oder Zeitungen, obwohl ich natürlich schon seit sehr jungen Jahren versuche, sie dazu zu zwingen. Die Branche verändert sich und es ist wesentlich, sich an diesen Wandel anzupassen.
„In Sachen Mode habe ich gelernt, niemals nie zu sagen. Ich habe in der Vergangenheit bestimmten Stilen abgeschworen, die sich dann gerächt haben, indem sie wiederkamen.”
M.Ë Welchen Rat würden Sie angehenden Stylist:innen geben?
A.G. Erkunden Sie alle Bereiche des Stylings – E-Commerce, Editorials, Musikvideos, Filme. Assistieren Sie so vielen Menschen wie möglich, um zu lernen, wie sie arbeiten, stylen, mit verschiedenen Teams zusammenarbeiten, einen Koffer packen, ein Moodboard zusammenstellen oder sogar eine Hose hochstecken. Arbeiten Sie hart, denn die Arbeitszeiten sind lang. Bauen Sie ein Netzwerk auf, denn die Junior:innen, mit denen Sie anfangen, werden mit Ihnen wachsen. Seien Sie effizient, pünktlich, organisiert und lernen Sie, richtig gut zu packen … Und werden Sie körperlich stark genug, um schwere Koffer zu tragen!
M.Ë Wer hat Sie in Ihrem Stil und Ihrer Arbeit maßgeblich inspiriert?
A.G. Tiina Laakkonen bei Vogue war eine große Inspiration und Mentorin. Ihre unglaubliche Eleganz und ihr umfangreiches Wissen haben mich stark beeinflusst. Wenn es um Prominente geht, bin ich besessen von Julianne Moore. Sie ist die Person, mit der ich gerne an einem Fotoshoot arbeiten würde – danach könnte ich mich beruhigt zur Ruhe setzen. Ich glaube, sie ist diejenige, die mich ermutigt hat, Rot zu tragen. Als Rothaarige fand ich das immer zu viel, aber die Farbtöne, die sie wählt, sind fabelhaft. Wenn Julianne Rot tragen kann, kann ich Rot tragen. Die meiste Inspiration bekomme ich jedoch aus Museen, Galerien, Fotoausstellungen und Kunstbüchern.
M.Ë Wie bringen Sie Funktionalität und Stil in Einklang, insbesondere in einer Stadt wie London mit ihrem unvorhersehbaren Wetter?
A.G. Bei meinen Outfits beginne ich mit der Auswahl der Schuhe je nach Wetter und Tagesplan. Darauf baue ich den Rest auf.
M.Ë Sie sind dafür bekannt, immer einen Schal zu tragen. Gibt es eine Geschichte hinter diesem charakteristischen Accessoire?
A.G. Ich glaube, es begann, als ich in New York mit seinen vielen Klimaanlagen lebte. Ich hasse es wirklich, zu frieren, und wenn man den ganzen Tag am Schreibtisch sitzt, ist es beruhigend, etwas zu haben, das man einfach in die Tasche werfen und herausholen kann, um sich warm zu fühlen. Es ist so etwas wie eine Kuscheldecke. Ich habe drei dieser Kaschmirschals aus der Stephen Sprouse x Louis Vuitton Kollaboration. Sie sind riesig mit Leopardenmuster und begleiten mich auf jeder Flugreise.
M.Ë Liebe zu Trenchcoats: Was fasziniert Sie an diesem Kleidungsstück und wie integrieren Sie es in Ihre täglichen Outfits?
A.G. Jeans und Trenchcoats sind Grundbestandteile meiner Garderobe. Ein Trenchcoat wertet ein Outfit sofort auf, selbst wenn es nur aus Jeans und T-Shirt besteht. Er bietet Vielseitigkeit, egal ob mit Gürtel, ohne Gürtel oder in Schichten über verschiedene Teile getragen. Es gibt so viele Möglichkeiten, Trenchoats zu stylen, dass sie unverzichtbar sind.
M.Ë Welcher Trenchcoat-Schnitt ist im Moment angesagt?
A.G. Im Moment liebe ich einen sehr geraden und übergroßen Trenchcoat von Jigsaw. Mein alter Trenchcoat von Burberry ist figurbetonter und auch ein Favorit. Der Schnitt hängt davon ab, was man darunter trägt. Auf meiner Wunschliste steht einer von The Row, den ich liebe.
M.Ë Wie sehen Sie die Zukunft der Mode?
A.G. Die Zukunft vorherzusagen ist schwierig. Wer hätte gedacht, dass COVID zuschlagen und buchstäblich alles verändern würde … Ich weiß nur, dass Ton jetzt meine Berufung ist.
Focus
Trenchcoats
NEUE PASSION
Keramik
M.Ë Keramikdesign: Können Sie uns etwas über Ihre aktuelle Arbeit als Keramikdesignerin erzählen und wie Sie Ihre Kreativität in diesem neuen Bereich zum Ausdruck bringen?
A.G. Ich bin sehr leidenschaftlich, was Keramik angeht. Ich habe solches Glück, eine neue Beschäftigung gefunden zu haben, die mir Frieden und Erfüllung bringt. Ich liebe die Ruhe, die die Arbeit mit Keramik bietet, und die Freiheit, meine Vision nach meinen Vorstellungen zum Leben zu erwecken. Die Texturen, Formen und Farben und der Prozess, alles zusammenzusetzen, bewegen mich zutiefst. Alles, was ich in meinen 35 Jahren in der Modebranche gelernt habe, alle Fähigkeiten als Stylistin, spiegeln sich in meiner Keramik wider. Ich genieße den Prozess unglaublich, mich neu zu erfinden und neu zu lernen.
Ich besuche derzeit einen zweijährigen Keramik-Diplomkurs an der City Lit, und es ist unglaublich interessant. Wir lernen nicht nur das Handwerk, wir vertiefen uns auch in die Geschichte der Keramik, zeitgenössische Keramiker:innen und die Geschichte der Kunst und ihrer Einflüsse. Meine Kolleginnen sind eine bunt gemischte Gruppe von Frauen im Alter von 27 bis fast 70, alle vereint durch die Liebe zu Ton und Kreativität. Wir sind nur 17 Personen mit Hintergründen in Mode, Verlagswesen, Druckgrafik und IT. Es macht großen Spaß!
M.Ë Können Sie sich vorstellen, sich komplett von der Mode abzuwenden und sich ausschließlich der Töpferei zu widmen?
A.G. Ich werde Mode und Zeitschriften immer lieben, aber im Moment hat sich mein Fokus verschoben. Ich habe mein Vogue-Abo gegen eines von Ceramic Review eingetauscht.