Vom Bunker zum “Shelter Deluxe” – Ein architektonisches Meisterwerk in München
(Architektur) Als Stefan Höglmaier den Hochbunker an der Ungererstraße in München zum ersten Mal betrat, überraschte ihn der völlig fehlende Außenbezug. Der massive Betonbau erzeugte ein Gefühl völliger Abgeschlossenheit. Die dicken Wände und das Fehlen von Fenstern ließen weder Licht noch Ausblick zu. Doch was bei den meisten Zweifel ausgelöst hätte, aktivierte bei dem damals 40-jährigen Immobilienentwickler den Kreativitätsmodus.
Höglmaier reizt, was architektonisch jenseits von Klischees und einfachen 08/15-Lösungen liegt. Wo andere nur einen fensterlosen Betonklotz mit historischen Außenverzierungen und ungewissen Denkmalschutzauflagen sahen, erkannte er Potenzial: ein freistehendes Gebäude in direkter Nähe zum Englischen Garten, eine herausragende Landmark mit einem gigantischen Rundumblick. Er sah, dass die erhabene Architektur des Bunkers absolut einzigartig war und das Gefühl der Abgeschottetheit in absolute Privatsphäre und Geborgenheit transformiert werden könnte.
Mit dieser Vision erwarb er den Bunker vom Staat und begab sich auf eine architektonisch spannende Reise. Die erste Herausforderung bestand darin, dass das Gebäude während des Verkaufsprozesses unter Denkmalschutz gestellt wurde. Diese vermeintliche Hürde führte aber zu einem kreativen Austausch mit der Stadt und der Denkmalpflege. „Zu Beginn mussten wir unser Konzept der Stadtgestaltungskommission vorstellen. Zu unserer Freude erhielten wir nur Anerkennung und Ermutigung zur Realisierung“, erinnert sich Höglmaier. Einen ebenso couragierten und kreativen Partner fand er in Tim Sittmann-Haury, einem befreundeten Architekten von raumstation Architekten. Dieser verstand die Visionen des Bauherrn und liebte die Herausforderung ebenso. Die erste Skizze entstand auf einer Serviette im Restaurant.
„Zunächst entstand die Idee, pro Etage und Gebäudeseite nur eine, jedoch nahezu wandbreite Öffnung zu schaffen. Innen sorgt das für viel Licht, während der Eingriff nur moderat in das äußere Erscheinungsbild eingreift. Die Lesbarkeit blieb erhalten, was das Denkmalamt sehr begrüßte.“
In einem aufwändigen Prozess, der sechs Monate dauerte, wurden große Lichtöffnungen in die zwei Meter dicken Betonwände gesägt. So ergaben sich Ausblicke und Lichteinfälle aus allen vier Himmelsrichtungen. Es gibt keine Nachbarschaft in annähernd dieser Höhe, die Ausblicke oder Sonneneinfall beschränken würden. Die Öffnungen sind so groß, dass sie Loggia-artige Nischen bilden und täglich wechselnde Lichtstimmungen in die Räume bringen. Das Highlight sollte das aufs Bunkerdach aufgesetzte, rundum verglaste Penthouse-Geschoß mit Dachterrasse werden, das in seiner Leichtigkeit einen zeitgenössischen Kontrast zu der massiven Gebäudesubstanz bildet.
Durch die minimalen äußeren Eingriffe blieb der Bunker in seiner Erhabenheit erhalten. Den optisch anspruchsvollen Auftakt schafft ein privates Entree mit Carport und exklusivem Liftzugang und Liftlanding in jeder Etage. Das originale Treppenhaus blieb in seiner rohen Betonstruktur erhalten und bietet mit der Tageslichtdecke, Raum für großformatige Kunst. Der rohe Beton der Decken in den historischen Etagen wirkt durch seine Fassung mit einem umlaufenden Passepartout wie ein abstraktes Gemälde.
Bei der Ausstattung ihrer rund 400 Quadratmeter großen Wohnung waren sich die beiden Hausherren schnell einig: Es ging um eine Symbiose zwischen der rohen Substanz und Wohnlichkeit. Rückzug von der Außenwelt, absolute Privatsphäre und Wandelbarkeit des Interieurs unter Wahrung der einzigartigen Qualitäten standen auf der Agenda. Eine gestalterische Gratwanderung, die von raumstation und der ins Boot geholten Innenarchitektin Regina Hoefter mit Bravur gemeistert wurde. Denn während Stefan Höglmaier es geradlinig und maskulin präferierte, zog sein Partner den eher glamourösen, verspielten Stil vor. Man näherte sich dieser Herausforderung mit einem durchdachten Konzept, das etagenweise umgesetzt wurde.
Der fast dramatische Hollywood-Regency-Stil stand mit starken Kontrasten, Opulenz und Glamour Pate für die Entrée-Etage mit ihrem freistehenden Flügel. Die „Roaring Twenties“ mit Art-Déco-Anleihen gaben Inspiration für Ankleide, Masterbad und Schlafzimmer; in der vollverglasten Penthouse-Etage orientierte sich Regina Hoefter an der Farb- und Formvielseitigkeit der Swinging Sixties. Ein Spannungsbogen an Stilrichtungen, der stringent mit der Optik des Bunkers verbunden wurde.
Mit Münchens Kreativschreinerei Holzrausch wurden extravagante Einbauten geplant, ein Potpourri an Materialitäten, von mit Leder und Nieten bezogenen Ankleiden bis hin zu konkav gefertigten Nussbaumregalen im Penthouse, die die Chromverschalung im Außenbereich aufgreifen. Es ist dieser unerwartete Materialmix – wie etwa das Linoleum mit Messing in der Küche, die Cole & Son Fornasetti-Tapete, die aufwändig gearbeiteten Vorhänge oder das handgefertigte Betthaupt aus seidenbezogenen Elementen vor der passenden Basttapete – der diesem Wohnraum einen exklusiven, aber auch selbstverständlichen Look gab.
Ein Schaffensprozess, an dem alle vier – Hausherren und Architekten – gleichberechtigt mitarbeiteten. Gemeinsam entschied man sich für Vintage-Stücke, die man in Paris gefunden hatte, und wählte mit Bedacht aus, welches Kunstwerk wo gehängt werden sollte. Zeitgenössische Masterpieces wie die „Branching Bubble“-Lampe von Lindsey Adelman fügten sich zum perfekten Dining-Ensemble mit dem „Platner Seat“ von Knoll und einem aus Corian gefertigten Tisch.
Einige Jahre nach ihrem Einzug erfüllten sich die sportbegeisterten Hausherren einen neuen Wunsch. Ein hauseignes Gym, das in einer der im Bunker befindlichen Wohnungen Platz fand. Auch hier erschließt sich ein Bild der Harmonie. Die schnörkellos-raue Optik der „Eleiko“-Sportgeräte trifft auf schmeichelnde Farben, Materialitäten und Midcentury-Vintagemöbel. Das Design-Highlight ist jedoch definitiv der Sanitärbereich mit eigener Kryokammer, rundum verschalt mit Pinta Verde Gestein, einem Material, das wie Eis wirken soll. Sehr viel wärmer ist hingegen der Treatment-Raum gestaltet. Hier treffen handgearbeitete Regale und ein Waschtisch aus Serpentinit auf schmeichelnden Sisalboden und gedimmte Beleuchtung.
Stefan Höglmaier beschreibt sein Refugium als „Shelter Deluxe“: ein geschützter Rückzugsort, der dennoch Teil des urbanen Gefüges bleibt. „Er bietet Privatsphäre, ohne sich von der Stadt abzukapseln. Der Bunker ist ein Teil des urbanen Gefüges und wurde auch nachbarschaftlich positiv angenommen.“Diese einzigartige Immobilie ist ein Symbol für die gelungene Verbindung aus Geschichte, Architektur und modernem Wohnen. Der Bunker in München zeigt, wie aus einem herausfordernden Baudenkmal ein einzigartiges Wohnprojekt entstehen kann.