Blueprint der
Kunstmesse

Art and Design

Während sich die britische Hauptstadt im Oktober auf eine Woche voller Ausstellungseröffnungen vorbereitet, blicken wir zurück auf den Weg, der die Frieze-Messe zu einem globalen Fixpunkt gemacht hat. Maison Ë traf die frisch ernannte Direktorin der Frieze Masters, Emanuela Tarizzo, um herauszufinden, was es Neues gibt, welche Perspektiven sich für die Frieze Masters eröffnen, wie sich unsere Sammelgewohnheiten heute verändern – und wie der Besitz jahrtausendealter Antiquitäten vielleicht zugänglicher ist, als bislang angenommen.

Im Gespräch mit Emanuela Tarizzo

23 Minutes

(Kunstmesse) Seit der Premiere der Frieze in London im Jahr 2003 sind weltweit viele Kunstmessen entstanden, aber kaum eine kann sich mit ihrem Einfluss und ihrer Vorreiterrolle messen. Die Kunstmesse, die aus den Aktivitäten des Frieze-Magazins hervorgegangen ist, zeichnete sich von Anfang an durch intellektuelle Tiefe und einen kritischen Blick aus. Das Zelt im Regent’s Park wurde nicht nur wegen der guten Galerieauswahl und des cleveren Programms schnell ein voller Erfolg: Innerhalb kürzester Zeit entwickelte es sich zu einem unverzichtbaren Salon, in dem sich die kreative Elite der Stadt in ihren besten Outfits präsentierte. Im Laufe der Jahre wurde die Frieze zum Vorbild – aber auch zum Stereotyp – für die Idee einer Kunstmesse: ebenso sehr gesellschaftliches Ereignis wie kommerzieller Anlass, mit Gläserklirren und Klatsch genauso wie mit Verkäufen, und ein jährlicher Termin, der den Oktober zum de facto Kunstmonat Londons gemacht hat.

Während ihr etabliertes Schweizer Pendant, die Art Basel, mit mitteleuropäischer Macht und selbstbewusster Prahlerei auftritt, wirkt die Frieze oft wie ein intellektueller Schelm mit viel London-typischem Witz. Durch ihre internationale Expansion – zuerst nach New York, später nach Los Angeles und schließlich 2022 nach Seoul – ist es ihr gelungen, diese farbenfrohe Persönlichkeit zu bewahren und ihr Engagement für andere Disziplinen zu demonstrieren, was die Frieze mehr zu einem kulturellen Akteur als zu einem reinen Kunstmarkt macht.

Umso interessanter ist es, dass eine so kompromisslose Messe seit 2012 beschlossen hat, einen geschichtsträchtigen Verwandten in ihre Reihen aufzunehmen. Die Frieze Masters, ihre vornehme Schwester, befindet sich nicht weit vom Zelt der ursprünglichen Messe entfernt, aber ihre Atmosphäre wirkt immer etwas zurückhaltender und würdevoller als die ihrer Nachbarin.

The Sunday Painter:
Ernesto Burgos
Plume
Fiberglas, Harz, Holz, Karton,
Holzkohle, Ölfarbe
142 × 167,6 × 12,7 cm
2025
Galeria Casado Santapau:
David Renggli
Glazardi
Acryl auf Holz und Jutenetz,
Aluminiumrahmen
161,5 × 126,5 × 5 cm
2025

Alle hier ausgestellten Kunstwerke entstanden vor dem Jahr 2000: In der Praxis beinhaltet das so ziemlich alles von illuminierten Handschriften über Teile archäologischer Schätze bis hin zu flämischen Gemälden, japanischen Holzschnitten, Miniaturen aus der Mogulzeit und vielem mehr. Für viele fühlt es sich oft wie eine Art Museum an, ein Ort, an dem man atemberaubende Meisterwerke bestaunen kann, bevor sie gekauft werden und in die Sammlung eines Privatbesitzers gelangen.

In der Masterpiece-Sektion, die kürzlich als Ergänzung zur Frieze Seoul ins Leben gerufen wurde, bildeten sich vor den Ständen mit Werken von Canaletto und Egon Schiele lange Schlangen. Immer mehr Menschen, die diese Veranstaltungen nicht nur besuchen, sondern – was entscheidend ist – auch etwas kaufen, sind nicht mehr nur die gut gekleideten Sammler:innen der vergangenen Jahre. Eine neue Generation von Käufer:innen interessiert sich für historische Kunst – und da ebenfalls zunehmend junge Händler:innen die Leitung traditionsreicher Galerien übernehmen, ist ein grundlegender Wandel im Gange.

Die Frieze Masters selbst begrüßt eine neue, frische Direktorin: die in Italien geborene Emanuela Tarizzo, die seit 2006 in London lebt und dort in Auktionshäusern und Galerien tätig war (darunter acht Jahre in der Tomasso Gallery in Mayfair), bevor sie Anfang dieses Jahres zum Frieze-Team stieß. Am Vorabend ihres Debüts setzte sich Maison Ë mit Tarizzo zusammen.

Simões de Assis:
Diambe
Ohne Titel
Patinierte Bronze
61 × 41 × 14 cm
2025
Lungley Gallery:
Neal Tait
Ohne Titel
Öl auf Leinen
20 × 40 cm
2012
Auf der Frieze Masters, London, 2024.
Die Frieze Masters begrüßt in diesem Jahr eine neue Direktorin: die in Italien geborene Emanuela Tarizzo.

Maison Ë Wenn man einen neuen Job antritt, wird immer erwartet, dass man seine eigene Note einbringt. Wie werden Sie das angehen?

Emanuela Tarizzo Als mir die Stelle als Direktorin der Frieze Masters angeboten wurde, dachte ich, dass dies eine großartige Gelegenheit wäre, für die Gemeinschaft der Händler:innen zu arbeiten, die ich kenne und deren Arbeit ich bewundere. Außerdem war es eine fantastische Herausforderung: Es ist etwas Neues für mich, aber gleichzeitig sehr vertraut, da ich viele Jahre Erfahrung aus der Perspektive der Ausstellerin habe. Das bringe ich sicherlich in diese Position mit ein und es prägt meine Herangehensweise.

M.Ë Wie sehr kann und sollte sich die Frieze Masters weiterentwickeln?

E.T. Ich denke, Messen sind im Wesentlichen Plattformen, und sie verändern sich natürlich mit dem Geschmack und mit der Zeit. Die erste Frieze Masters fand 2012 statt, und heute ist die Welt eine andere: Die Markttrends haben sich weiterentwickelt, der Geschmack hat sich weiterentwickelt. Eine Messe – jede Messe – muss ihrer Community helfen, darauf zu reagieren und sich anzupassen. Veränderung und Entwicklung sind ein schrittweiser Prozess: Ich habe Ideen, aber zuerst muss ich zuhören.

M.Ë Die Vorstellung, dass sich seit 2012 so viel verändert hat, ist wirklich interessant, denn wir neigen dazu, unsere Sicht auf historische Kunst in einem anderen Zeitrahmen zu sehen als beispielsweise zeitgenössische Kunst. Wie haben Sie diese Veränderung wahrgenommen?

E.T. Zum Teil hat das mit dem Generationswechsel zu tun. Wir sehen neue, jüngere Sammler:innen auf den Markt kommen, aber auch jüngere Händler:innen, die ihre eigenen Erfahrungen, ihre Sichtweisen und ihre Netzwerke einbringen. Im Vergleich zu vor 10 oder 15 Jahren wollen Sammler:innen heute informiert sein: Sie möchten alles wissen, was es über das, was sie kaufen, zu wissen gibt. Sie lassen sich ebenfalls mehr von Narrativen und der Gesellschaft leiten und davon, was sie persönlich anspricht, als von einem Sammelgefühl nach Kategorien – wie dem Goldenen Zeitalter der Niederlande oder der Schule Rembrandts.

Wir beobachten viel mehr Cross-Collecting: Antike griechische, römische und ägyptische Kunst waren die ersten Kategorien, die mir auffielen, die generations- und disziplinübergreifend gesammelt wurden. Menschen, die zeitgenössische Kunst kauften, mischen diese nun mit antiker Kunst. Und das breitet sich aus: Es geschieht mit dekorativer Kunst, Gemälden, Zeichnungen. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, darunter die Tatsache, dass es in der historischen Kunst Kategorien gibt, die eigentlich recht zugänglich sind.

Da wir so viele Informationen zur Verfügung haben, erkennen Käufer:innen, dass das, was sie für sehr teuer oder nur für Museen geeignet hielten, dies in Wirklichkeit gar nicht ist. Messen spielen dabei eine Rolle: Einige Händler:innen veröffentlichen ihre Preise offen. Das ist definitiv eine bewusste Entscheidung.

M.Ë Findet dieses interdisziplinäre Sammeln statt, weil sich die Hierarchien oder Grenzen zwischen den Disziplinen verschieben?

E.T. Ich weiß nicht, ob es um Hierarchien geht. Ich denke, es geht wahrscheinlich um Präsenz und darum, wie sich der Designgeschmack verändert hat, darum, wie wir in unseren Wohnungen leben. Vor zwanzig Jahren war eine zeitgenössische White-Cube-Ästhetik sehr in Mode, aber das hat sich geändert: Es gibt eine Fülle an Dekoelementen, die auch die jüngere Generation schätzt.

Sfeir-Semler Gallery:
Samia Halaby
Fragments of Time
Ausstellungsansicht
2024
Anju Dodiya
Vadehra Art Gallery:
Anju Dodiya
Paper Storm
Aquarell, Holzkohle
und weiche Pastellkreide auf Papier
185 × 114 cm
2010

M.Ë Ich frage mich, wie viel Psychologie dahintersteckt. Verändert sich unser Geschmack, weil wir ein Bedürfnis nach Beständigkeit haben, nach einer Verbindung zur Vergangenheit?

E.T. Es gibt definitiv ein Interesse daran, sich mit der Vergangenheit zu verbinden, mit etwas, das sich physisch, aber auch historisch bedeutungsvoll und strukturiert anfühlt. Etwas, das von Generationen an Besitzer:innen, von Achtsamkeit und Passion erzählt. Ich glaube, dass Kunstwerke ein Gefühl der Zugehörigkeit vermitteln können. Mit dem Aufbau einer Sammlung schafft man auch etwas von sich selbst – man findet gewissermaßen Halt. Das Lernen ist etwas, das alle Menschen an Kunst reizt: die Möglichkeit, sich Zeit zu nehmen und sich mit einem Objekt, mit einer Geschichte auseinanderzusetzen.

M.Ë Welche Rolle spielt die Frieze Masters in diesem Zusammenhang – was unterscheidet sie von anderen Messen?

E.T. Einer der Punkte, der unsere Denkweise prägt, ist die Möglichkeit der Entdeckung. Wir möchten Menschen dazu ermutigen, hereinzukommen, weil sie sich für eine Sache begeistern oder eine bestimmte Galerie kennen, aber dann nebenan jemanden aus einer ganz anderen Disziplin entdecken können. Wir segmentieren unsere Ausstellungsräume nicht: Wir haben keine Abteilung für moderne Kunst, antike Kunst, Skulpturen oder Malerei. Wir versuchen, alles zusammenzubringen. Das war eines der Gründungsprinzipien und gilt auch heute noch. Das macht die Messe aus und unterscheidet sie von anderen.

M.Ë Weltweit entstehen derzeit zahlreiche Messen für zeitgenössische Kunst. Glauben Sie, dass auch der historische Bereich wachsen wird?

E.T. In den letzten Jahren haben wir definitiv ein wachsendes Interesse an historischer Kunst festgestellt – die sogenannten „Classic Week Sales” in London haben absolut fantastische Ergebnisse erzielt. Ob sich das in mehr Kunstmessen niederschlagen wird, ist eher eine Frage der Umsetzung.

Bei Galerien, die sich mit historischem Kunstmaterial beschäftigen, ist die Beschaffung zeitaufwändig. Galerien, die sich auf Meisterwerke konzentrieren, nehmen naturgemäß an weniger Messen pro Jahr teil als Galerien für zeitgenössische Kunst. Man spricht natürlich nicht mit einem lebenden Künstler, der aktiv arbeitet. Man kauft Werke, begutachtet ihren Zustand, muss sie manchmal zu einem Restaurator bringen, möchte sie vielleicht neu rahmen. All das kostet Zeit. Es gibt eine ganze Reihe von Messen – in Paris, Florenz, Rom, natürlich in London und in New York. Werden wir noch viele weitere sehen? Ich weiß es nicht, aber ich denke, dass dies auf den Zyklus der historischen Kunst zugeschnitten ist.

M.Ë Glauben Sie, dass die Menschen in einer Zeit, in der wir alle etwas nervös sind wegen der Lage der Welt, sich auch der historischen Kunst zuwenden, weil sie ihnen als stabilerer Markt erscheint?

E.T. Ich denke, wenn man sich in der Kunst gut informiert und erst dann kauft, ist es ein guter Kauf. Man kann versuchen, den Wert von Werken zu verfolgen, aber es gibt so viele Faktoren, die den Wert eines Werks beeinflussen, sowohl bei zeitgenössischen als auch bei historischen Werken. Wenn man sich einen Künstler ansieht und seine Ergebnisse überprüft, kann es große Unterschiede geben. Warum? Vielleicht liegt es daran, dass die Werke aus unterschiedlichen Epochen stammen. Es kann sein, dass das eine Werk eine Zeichnung ist, das andere ein Gemälde oder eine kleine Skizze und das andere ein riesiges Altarbild. Wenn man nur auf das Endergebnis schaut, spiegelt das meiner Meinung nach nicht vollständig wider, was man vor sich hat.

Wie jede historische Kunstmesse wird auch die Frieze Masters geprüft: In Zeiten wie diesen ist es beruhigend zu wissen, dass alles, was man kauft, sei es ein winziges antikes Fragment oder ein großes Gemälde von Magritte, von allen relevanten Expert:innen akzeptiert wurde.

Eleanor Coade Vagabond
Vagabond:
Eleanor Coade
Coade-Stein-Statuen einer Sibylle und einer Vestalin
um 1792
Hans Coper
Erskine, Hall & Coe
Hans Coper
Narrow bottle
Steinzeug
32 × 8,7 cm
1950er Jahre

M.Ë Können Sie uns zum Abschluss noch etwas über diese Ausgabe der Messe erzählen?

E.T. In diesem Jahr haben wir drei kuratierte Sektionen: „Spotlight“ lädt Galerien ein, monografische Einzelpräsentationen zu Künstler:innen zu zeigen, die zwischen 1950 und 1980 tätig waren und in der Vergangenheit übersehen wurden. „Studio“ lädt zeitgenössische Künstler:innen ein, die sich in einer reifen Phase ihrer Karriere befinden, um auf ihre Inspirationsquellen zurückzublicken. Und dann haben wir noch „Reflections“ – hier geht es darum, sich auf Objekte zu konzentrieren, und zwar durch die Linse zweier bedeutender Sammlungen in Großbritannien: dem Sir John Soane Museum und Kettle’s Yard in Cambridge.

Ich persönlich bin sehr gespannt auf das gesamte Programm, denn es ist meine erste Ausgabe als Direktorin. Wir haben zwei amerikanische Galerien, Karma und Salon 94, die sich zusammengetan haben, um die Arbeiten der australischen Aborigine-Künstlerin Sally Gabori zu präsentieren, während Luxembourg + Co die Arbeiten des zeitgenössischen Künstlers Joe Ray zeigt. Wir haben den Galeristen Moshe Tabibnia aus Mailand, der über besondere Fachkenntnisse im Bereich historischer islamischer und europäischer Teppiche verfügt, Shibunkaku aus Kyoto, der sich mit japanischer Kunst des 20. Jahrhunderts beschäftigt, Francesca Galloway, die auf Miniaturen aus der Mogulzeit spezialisiert ist, und Philip Mould, der sich auf britische Künstlerinnen der letzten vier Jahrhunderte konzentriert. Es gibt eine große Vielfalt und einen unglaublich breiten Fokus.

WORDS
Chiara Rimella
PHOTOGRAPHY
Isabella Hewitt

Courtesy of Frieze
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