Emerging Artists
Kontrastreiche Perspektiven

Art and Design

Drei zeitgenössische Künstler:innen stehen im Fokus, die unterschiedlicher kaum sein könnten: Die litauische Malerin Rūtė Merk befasst sich in ihrem Werk mit den Verzahnungen des Digitalen mit dem Realen und deren ästhetischen Auswirkungen. Die US-amerikanische Künstlerin Olivia Erlanger setzt sich multidisziplinär mit den peripheren Zonen des Geists auseinander. Und Marc Truckenbrodt aus Deutschland lässt seine Heldenfiguren der conditio humana nachgehen.

Marc
Truckenbrodt

Die Bilder Marc Truckenbrodts entstehen in aufwändiger Manier, Schicht um Schicht, in einem linearen Malprozess, bei dem vom Hellen ins Dunkle gearbeitet wird. Das bedeutet auch: Es führt kein Weg zurück. Und trotzdem ist bei seinen Bildern kein Zaudern zu spüren. Aufgrund der Entstehung dieser Bilder und der Konsequenz im Umgang mit der Farbe macht es einen Unterschied, aus welcher Entfernung man sie betrachtet und welches Licht gerade auf sie fällt. Je nachdem tritt dann eher die eine oder die andere Farbe kräftiger aus dem Bild hervor. Stellen, die gerade noch eine Figur erkennen ließen, rücken wieder in den Zustand reinen Pinselstrichs.

Die Figuren, zu denen sich die zahllosen Pinselstriche, Szenen und Räume zusammenfügen, stellen die universellen Fragen der Menschheit. Nicht von ungefähr zeigen sie oft Ähnlichkeit mit mythischen Figuren, Gottheiten oder Held:innen. Freundschaft, Entdeckergeist und Identität sind nur einige der Themen, die hier verhandelt werden. Und wie bei den großen Mythen zeigen auch Marc Truckenbrodts Bilder eine gewisse Ambivalenz. Er malt, wie er sagt, nur Dinge, die er selbst noch nicht vollständig versteht.

Marc Truckenbrodt stammt aus Jena und lebt nach Stationen in Österreich und China mittlerweile in Hamburg.

Prometheus
Acryl auf Papier,
30 × 42 cm,
2024
Marc Truckenbrodt

Olivia
Erlanger

Olivia Erlanger hat eine Menge harter Fakten im Hinterkopf, aber ihr wahres Interesse liegt jenseits davon. Ihre Arbeit bewegt sich an der Peripherie, in diesem mehrdeutigen Raum, in dem Grenzen verschwimmen und Gegensätze sich vermischen. Um dies zu erforschen, untersucht sie die Semiotik einer sehr realen und symbolischen Umgebung: der amerikanischen Vorstadt.

Seit dem Zweiten Weltkrieg haben die Architektur, die sozialen Strukturen, die Ästhetik und die Mythen der Vorstädte die Fantasie von Kunstschaffenden und der Öffentlichkeit gleichermaßen beflügelt. Erlanger greift diese Themen auf und verleiht ihnen unerwartete Wendungen. Haushaltsgegenstände und Geräte, die zum Leben in der Vorstadt gehören, werden in ihren Werken oft lebendig – sie werden zu gespenstischen, fühlenden Wesen oder kollidieren mit surrealen, jenseitigen Umgebungen. Dieser Anthropomorphismus, wenn nichtmenschliche Objekte menschliche Züge annehmen, kann sowohl beunruhigend als auch dunkelhumorig sein.

Andere Werke bewegen sich in Richtung Abstraktion, indem sie den Maßstab häuslicher Bilder entweder zu planetarischen Proportionen oder zu Miniaturdimensionen hin verändern. Erlangers Vielseitigkeit erstreckt sich über eine Reihe von Medien, darunter Skulptur, Installation, Performance, Film und dramatische Literatur. Jedes Medium stellt eine besondere Herausforderung dar und bietet dem Publikum unterschiedliche Möglichkeiten, sich mit ihren Ideen auseinanderzusetzen.

Olivia Erlanger, die derzeit in New York lebt, bewegt sich weiterhin an den Schnittstellen zwischen dem Vertrauten und dem Unheimlichen und zieht uns in ihre einfallsreichen Erkundungen jener Räume hinein, die wir bewohnen – sowohl real als auch imaginär.

ACT V
Lindenholz, Plexiglas, MDF, Aqua-Resin, Tapete und Farbe
134,6 × 124,5 × 50,8 cm
Mit freundlicher Genehmigung von Olivia Erlanger & Hauser & Wirth
2023
EURUS114-6549211-7132225
Ventilator, Duschstange, Mülleimer, Löffelhalter, 15 U/min AC-Synchrongetriebemotor, Lampenkabel, Kunststoff, Harz, Aluminium, Farbe
91 × 119 × 116 cm
Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin und Soft Opening, London,
2024

Rūtė
Merk

Rūtė Merk

Das Bestreben, die Wirklichkeit so abzubilden, wie sie wahrgenommen wird, steht seit langem im Mittelpunkt der Arbeit von Maler:innen. Doch in der heutigen Welt wird die Realität selbst von ihren Darstellungen unterwandert und umgestaltet, wodurch die Grenzen zwischen dem Realen und dem Bild immer mehr verschwimmen. Die litauische Malerin Rūtė Merk, die derzeit in Berlin lebt, erforscht die hybride Welt, die aus dieser Kollision heraus entsteht. Ihre Arbeiten wirken seltsam vertraut und beschwören eine Welt herauf, in der wir auf Caffé Lattes, französische Macarons und Freunde treffen, die in einer Mischung aus scharfer, kantiger Präzision und weichen, verschwommenen Konturen dargestellt werden.

Das Alltägliche fungiert in ihren Bildern als Gravitationskraft, die sie im Greifbaren verankert und verhindert, dass sie in endlose Iterationen imaginärer Welten abdriftet. Diese Details bestärken uns in der Realität, die wir wahrnehmen. Was würden wir schließlich ohne einen Milchkaffee tun, an den wir uns klammern können?

Gleichzeitig offenbart die zusammenhanglose Natur der Bildkomponenten, die wie im Photoshop-Vakuum zusammengefügt wurden, eine beunruhigende Wurzellosigkeit. Die Fragmente deuten auf einen Ursprung außerhalb traditioneller Kontexte hin und sind ein Echo auf die Orts- und Zeitlosigkeit der globalisierten Kultur. Dennoch gelingt es Rūtė Merk meisterhaft, diese Widersprüche in einem einzigen fesselnden Gemälde nebeneinander bestehen zu lassen.

Fruits and Latte
Öl auf Leinwand
140 × 80 cm
2023
Thalia with Valerian
Öl auf Leinwand
160 × 95 cm
2024
Ambera, Marion
Öl auf Leinwand
230 × 130 cm
2024
TEXT
Victor Cos Ortega
FOTOGRAFIE
Klaus Pichler | Bobby Doherty | Eva Herzog | Keith Lubow | Alex de Brabant
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