Man sieht kaum, was vor sich geht, so hell lodern die Flammen. Gerade noch wurden den Gästen in der Küche des Restaurants Ekstedt rohe Austern präsentiert, „eine an der Westküste Schwedens invasive pazifische Art“, nur wenige Sekunden später ist ihre Oberfläche karamellisiert: Brennender Rentiertalg wurde durch einen Flambadou, einen eisernen Trichter mit langem Haltegriff, auf das Meeresprotein geträufelt. „Der Talg kann mehrere hundert Grad heiß werden.“ Dazu gibt es eine Beurre blanc, aufgeschlagen aus Butter und jener Flüssigkeit, die man beim vorsichtigen Öffnen der Austernschalen aufgefangen hat.
Mit Gerichten wie der „Flambadou Oyster“ wurde Niklas Ekstedt, Jahrgang 1978, zum „Feuerkoch“ von internationalem Ruf (er trägt übrigens einen Miniatur-Flambadou als Anhänger um den Hals). Kaum zu glauben, dass er mit dieser Zuschreibung trotz des Erfolgs ein wenig hadert. Ekstedt will nicht der Feuerkoch sein, sondern der „technisch andere Koch“. Sein eigentliches Ziel ist es, eine These zu untermauern – das Kochen mit Feuer ist gewissermaßen nur eine Begleiterscheinung: „Ich will beweisen, dass Essen besser geschmeckt hat, bevor die Elektrizität erfunden wurde.“ Ekstedt bat die Königliche Bibliothek in Stockholm um Hilfe bei der Recherche, wie etwa die Wikinger gekocht haben, durchstöberte alte Bücher zur Haushaltsführung auf der Suche nach Anregungen. „Die Bibliotheksmitarbeiter:innen haben sich sehr gefreut; endlich etwas Spannendes zu tun!“
Alle Gerichte aus der Küche des Ekstedt im Zentrum Stockholms weisen eine zusätzliche Dimension auf, die sie besonders köstlich macht. Um plakative Rauch- und Grillaromen, wie die Generation Barbecue sie sucht, geht es Niklas Ekstedt überhaupt nicht; es ärgert ihn, wenn er als „Barbecue Chef“ tituliert wird. Seine Gerichte sind vielmehr umschmeichelt von einem filigranen Schleier aus jenen vielgestaltigen Aromen, die Feuer mitbringt oder überhaupt erst zum Leben erweckt. Ob es nun das vorbildlich aufgegangene Steinpilzsoufflé aus dem Holzofen ist, die in Heu gegarte Wachtel mit fermentiertem weißen Spargel oder die Langustinen, die, auf Seegras gebettet, über Kohlen gegart und mittels eines Pinsels aus Kiefernnadeln mit Kiefernzapfenöl beträufelt werden. Das Element Feuer bringt das jodhaltige Seegras dazu, den Krustentieren einen zusätzlichen geschmacklichen Stempel aufzudrücken – Details wie diese meint Niklas Ekstedt wohl, wenn er von „technisch anders kochen“ spricht. Seine Zutaten sind, mit Ausnahme von Pfeffer und Schokolade, rein skandinavisch, als Holz kommt ausschließlich Birke zum Einsatz.
„Ich will beweisen, dass Essen besser geschmeckt hat,
bevor die Elektrizität erfunden wurde.“
In der kompakten Küche des Restaurants Ekstedt trennen die Köch:innen je nach Bedarf ihre Feuerstellen mit Ziegelsteinen ab, fast stündlich werden diese verschoben. Eine kleine geschlossene Garkammer über den Köpfen wird als Zone für gemäßigte Hitze genützt – „unsere Steinzeit-Mikrowelle“, sagt der Küchenchef dazu. Darin gart man Wachteln, Fisch und andere hitzeempfindlichere Dinge. Der Tellerwärmer wird mit Glut betrieben, an der Wand hängen Flambadous, Blasebälge und vor allem zahlreiche gusseiserne Töpfe und Pfännchen. Sie sind essenziell für Kochen mit Feuer, sagt Niklas Ekstedt – man vergleiche einmal Gerichte, die darin gekocht worden sind, mit solchen aus einem Plastikbeutel im Sous-Vide-Becken. Eine „Plett Pan“ dient zum Backen von Blinis, in einer „Munkepanne“ mit ihren halbkugelförmigen Vertiefungen werden die mit Scherenfleisch und fermentierten Lingonbeeren gefüllten Teigbällchen als zweiter Teil des Langustinengangs zubereitet.
Mit der Argentinierin Florencia Abella hat Niklas Ekstedt eine Köchin zur Seite, die das Element Feuer gleichsam im Blut hat. Sie ist maßgeblich an der Küchenlinie beteiligt und leitet das Team. Was Niklas Ekstedt am Element Feuer so fasziniert, ist dessen je ne sais quoi: „Man kann Gerichte, die mit Feuer gekocht werden, nicht auf einem elektrischen Herd replizieren.“ Feuer habe einfach etwas, das man nicht beschreiben könne. „Es ist so, als hörte man Geige live. Man kann nicht erklären, warum sie besser klingt.“