Spitzengastronomie an Wiener Orten der Metamorphose –
von der Remise bis zur Disko

Culinary and Pleasure

Der burgenländische Taubenkobel, von Forbes als „Coolest Place to Eat“ ausgezeichnet, bringt Kaviar in die Autowerkstatt und Kastanientartelettes ins Jugendstiltheater einer Nervenheilanstalt: Ein zeitlich limitiertes Erlebnis – die Orte werden nur für wenige Wochen zum Restaurant. Jüngster Streich: Fine-Dining unter Diskokugeln.

Alain Weissgerber und Barbara Eselböck

Erdäpfel in einem essbaren Überzug aus grauem Ton werden in einer Diskokugel serviert, daneben liegt ein „After-Work-Toast“ in Miniaturformat auf einer kleinen Schallplatte. Die Suppe ist aus einem nietenbesetzten Metallbecher zu schlürfen. Details wie diese weisen bei jedem Wiener Pop-up des österreichischen Taubenkobel auf den jeweiligen Ort hin. Auch in diesem Jahr ist das Team aus dem burgenländischen Restaurant, das seit Jahrzehnten zu den besten des Landes zählt und von Forbes 2016 als „Coolest Place to Eat“ ausgezeichnet wurde, für die Vorweihnachtszeit in eine Dependance in der Hauptstadt gezogen.

In der Innenstadtdiskothek Volksgarten wird nun Fine-Dining zu Diskobeats geboten. Das diesjährige Gastspiel firmiert unter dem Namen Diskokobel – das Spiel mit dem Namen des Stammhauses gehört jedes Jahr dazu.

Als der Taubenkobel 2022 eine alte Mercedes-Werkstatt in Beschlag nahm, taufte man das Pop-up-Lokal Schraubenkobel, während eine stillgelegte Tramway-Remise vier Jahre zuvor zum Restaurant Lokvogel wurde. Diese Remise an einer der am stärksten befahrenen Stadtstraßen Europas war die vielleicht spektakulärste Location bisher – die Gäste dinierten in der hohen, auf geradezu wundersame Weise beheizten, alten Industriehalle direkt auf Schienen, ein ausrangierter Oldtimerwaggon diente als Raucherabteil. Selbst eingefleischte Wiener und Wienerinnen waren verblüfft, was in ihrer Stadt alles möglich ist. Mittlerweile wird der Backsteinbau als Gastromarkthalle genutzt.

Grand kobel 2022

Die Pop-ups des Taubenkobel sind ein Projekt, das international wohl seinesgleichen sucht.

  • brieftaubenkobel 2017Dominikanerbastei 11, 1010 Wien
  • Lokvogel 2018Eichenstraße 2, 1120 Wien
  • Taubensalon 2021Manner Villa
    Klampfelberggasse 2, 1170 Wien
  • Schraubenkobel 2022Mercedes Werkstätte
    Wiedner Haupstraße 52, 1040 Wien
  • Wunderkobel 2023Jugendstiltheater am Otto Wagner Areal
    Baumgartner Höhe 1, 1160 Wien
  • Diskokobel 2024im Volksgarten, 1010 Wien

 Denn auch das gehörte bisher zum Prinzip: Das Taubenkobel-Gastronomenpaar Barbara Eselböck und Alain Weissgerber fanden dank ihrer Kontakte zur Immobilienbranche stets Orte, die zum jeweiligen Zeitpunkt brachlagen, bisweilen richtige Geisterorte waren, und nach ihren thematisch stringent betriebenen Pop-ups umgebaut wurden. Die ehemalige Hauptpost etwa, die nur wenige Gehminuten vom Stephansdom entfernte „kaiserlich-königliche Post- und Telegrafen-Direction“, wurde 2017 noch als Brieftaubenkobel bespielt, samt großformatigem Kaiser Franz Joseph an der Wand und massenhaft Goldstuck; danach wurde das Gebäude von zwei Investorengruppen gekauft, mit dem Ziel, es zu einem cleanen Büro-Wohn-Hotel-Komplex umzugestalten.

Schraubenkobel 2022

Die Pop-ups des Taubenkobel sind ein Projekt, das international wohl seinesgleichen sucht. Nicht nur wegen der Kunstwerke, die dank einer Kooperation mit einer Wiener Galerie in allen Orten zu erleben sind. Sondern auch wegen des enormen persönlichen Einsatzes des Gastgeberehepaars und seines Teams. Geschlafen wird in diesen Monaten tendenziell wenig. Es kann durchaus vorkommen, dass Barbara Eselböck einen Anruf entgegennimmt, während sie gerade auf einer Leiter steht und Glühbirnen aus einem Luster schraubt – „die waren mir zu hell“.

Wunderkobel 2023
Schraubenkobel 2022
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Anna Burghardt
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